Es gibt Menschen, die über einen Neuanfang nachdenken. Die Idee vom stressfreien Leben auf dem Land übt auf den Ich-Erzähler einen so großen Reiz aus, dass er den Sprung ins Ungewisse wagt.
Ein alleinstehendes Haus an einem Waldsee ist das neue Zuhause. Nicht weit davon entfernt befindet sich ein Dorf mit einer eingeschworenen Gemeinschaft, die dem Neuling mit Argwohn begegnet. Und einige von ihnen irritieren ihn mehr, als ihm lieb ist.
Anfangs gefällt dem Erzähler die selbst gewählte Isolation, auch wenn ihn die Instandsetzungsarbeiten überfordern. Allergien und die ungewohnte körperliche Arbeit lenken von der Einsamkeit ab, bis ihn das jährliche Sommerfest ins Dorf lockt. Was ihn dort erwartet, übertrifft seine Vorstellungen von einer idyllischen Gemeinschaft. Die Sauf- und Gewaltexzesse einiger Männer sind für den Ich-Erzähler ein Schock. Eines Nachts sieht er sie in seinem Haus wieder und fürchtet um sein Leben.
Mit seinem Debütroman bearbeitet der Berliner Bastian Asdonk das Thema »Aussteigen«, das die Sehnsucht nach einem besseren und gesunden Leben feiert. Mit dem Kunstgriff, den Ich-Erzähler ohne Namen im Präsens berichten zu lassen, ähnelt der Roman einer ungeschnittenen Direktaufnahme. Durch die detaillierten Beschreibungen der Landschaft, der Reinigungsarbeiten und vielem mehr beginnt ein Visualisierungsprozess. Auch die Glückmomente werden fühlbar, wenn der Erzähler das erste eigene Gemüse zubereitet. Seine Liebe zum Landleben scheint eine Gruppe von Außenseitern zu teilen, die in ihrer Kommune leben. Im ersten Teil des Romans feiern sie nachts auf einer Waldlichtung den kommenden Frühling. Im letzten Teil, der Erntezeit, wird das Bild dieser Menschen vervollständigt. Als ihr Gast erfährt der Erzähler von ihrer Art zu leben und dem respektvollen Umgang untereinander.
Als Gegenpol stellt der Autor die Landliebe der Dorfgemeinschaft auf, deren Nationalstolz an rechtes Gedankengut erinnert.
Im starken zweiten Teil des Romans wechselt die beschauliche Atmosphäre durch die Brutalität einiger Männer in ein gewaltiges Sommergewitter. Was dem zusammengeschlagenen Erzähler im Krankenhaus den Boden unter den Füßen wegzieht, ist die Aussage der Polizisten: Die Männer wollten nur die um Hilfe rufende Frau retten.
Wie kann sich ein Fremder schützen? Wird das Heim eine Festung, oder gibt es andere Wege? Wie ein Weg aussieht, erklärt der Gründer der Kommune dogmatisch mit seinem Weltbild, und der Erzähler entscheidet sich schließlich.
Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Der Leser kann die Quintessenz teilen, oder es lassen. In diesem Augenblick darf er seine Entscheidung ohne Not treffen.
Bastian Asdonk: Mitten im Land.
Kein & Aber, September 2016.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.