Antonia Marker (Hg.): Lesezeit. Liebe. Lektüre für jedes Zeitfenster

Das Thema Liebe ist unerschöpflich. Wer hat nicht alles darüber geschrieben: Haruki Murakami, Delphine de Vigan, Mariana Leky, Kurt Schwitters und viele andere. Von all diesen wunderbaren Autoren versammelt der Band aus dem DuMont-Verlag Auszüge aus in seinem Haus erschienenen Büchern, die sich mit diesem aufregendsten aller Gefühle beschäftigen.

Dabei, und das finde ich ganz hilfreich und spannend, wird für jeden Text die geschätzte Lesezeit benannt, basierend auf der Annahme, dass ein geübter Leser etwa zweihundertfünfzig Wörter in der Minute lesen kann. Diese im Inhaltsverzeichnis bei den jeweiligen Titeln gegebene Information erweist sich als ausgesprochen nützlich, möchte man beispielsweise zwischen zwei Haltestellen oder beim Warten auf den Anschlusszug einen Text lesen und ihn auch beenden können, ohne unterbrochen zu werden.

Einer der Auszüge, die mir besonders gut gefallen haben, stammt von Delphine de Vigan, aus ihrem Buch „Loyalitäten“: Es geht darin um Théo, den Sohn getrennt lebender Eltern, und die Liebe seiner Mutter. Die drückt sich vor allem dadurch aus, dass sie, solange Théo noch kleiner ist, detaillierte Beschreibungen aller Vorkommnisse verlangt, sobald der Junge vom Vater-Wochenende zurückkehrt. Dabei nutzt die Mutter jede Gelegenheit, zu demonstrieren, wie viel besser es dem Sohn bei ihr geht als beim Vater, beim Feind, den sie nicht nennt (S. 126). Anfangs stellte ihm seine Mutter noch Fragen, wenn er von seinem Vater zurückkam. Sie tat völlig unschuldig, als wäre er nicht imstande, ihre Winkelzüge zu erkennen … (S. 129). Doch nach und nach stellt sie immer weniger Fragen und schließlich hört der Vater auf, für sie zu existieren.

Ein anderes Beispiel für die Vielfalt der Texte: „Im Kern eine Liebesgeschichte“ von Elizabeth McKenzie schildert die Beziehung zwischen Veblen und Paul. Die beiden lernen zu erkennen, dass Liebe nicht heißt, zu sein wie der andere, ein Zwilling des anderen zu werden. Veblen lernt, dass sie nicht erwarten darf, dass Paul die gleichen Gerichte liebt wie sie, dass ein Streit darüber, ob er Putenbällchen gerne isst oder nicht, kaum vergleichbar ist mit einem heftigen Sturm, der die Halbinsel San Franziskos erschüttert. Und sie lernt, dass die Partnerwahl über den Rest des Lebens entscheidet. Und doch wurde ihr immer deutlicher bewusst, dass die Wahl des Lebenspartners den Rest des eigenen Lebens auf eine Art und Weise formte, die sich nicht ansatzweise erahnen ließ.  (S. 43).

Dieses Buch kann ich allen empfehlen, die verliebt sind oder auf der Suche nach Liebe. Oder all denen, die einfach nur während eines Zeitfensters gut unterhalten werden möchten. Dass ganz nebenbei diese Sammlung von Auszügen auch eine ganz nette Werbung für den Verlag ist, stört dabei nur am Rande.

Antonia Marker (Hg.): Lesezeit. Liebe. Lektüre für jedes Zeitfenster.
DuMont Buchverlag, März 2020.
238 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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