Anthony McCarten: Going Zero

Kaitlyn hat sich in „Going Zero“ von Anthony McCarten auf ein gefährliches „Spiel“ eingelassen. Mit neun anderen Freiwilligen wird sie für 30 Tage gejagt. Vorher haben sich alle Zehn damit einverstanden erklärt, all ihre persönlichen Daten freizugeben. Und wer nach dem Ablauf von 30 Tagen nicht aufgespürt wird, gewinnt drei Millionen Dollar.

Das Spiel heißt Going Zero und bedeutet für die Freiwilligen den vollständigen Verzicht auf das Internet und ein Abtauchen vom normalen Leben, während ein Softwarekonzern mit allen Tricks der Datenanalyse und Überwachungstechniken ihr komplettes Leben ausspioniert.

Die Jagd nach Menschen

wurde in der Vergangenheit schon häufig medial verarbeitet. Mal wurden Verbrecher und Terroristen gejagt, oder die Jagd unterhielt ein großes Publikum. Wer erfolgreich floh, gewann in solchen Fällen seine Freiheit oder eine fette Prämie.

In Jagdkreisen gibt es den geflügelten Satz: Viele Jäger sind des Hasen Tod.

Der neuseeländische Autor Anthony McCarten ist in vielen Bereichen sehr erfolgreich. Er schreibt Theaterstücke, Drehbücher, Romane, Sachbücher und ist Filmproduzent. Zwei seiner Filme wurden 2015, 2017 für den Oscar nominiert.

Starke Frauenfigur

In seinem neuen Roman hat er Kaitlyn zu einer schlauen Häsin gemacht. Sie schlägt ständig Haken und rennt um ihr Leben. Diese starke Frauenfigur ist hochmotiviert und zielorientiert. Und während sie flieht, aktiviert sie zahlreiche Fallen. Ihr Kampf gegen den übermächtigen Gegner, der in dem Spiel auch die Interessen der USA vertritt, kann kaum noch extremer und ungleicher sein. Kaitlyn kann so ein Spiel genau genommen nicht gewinnen. Es heißt ja bekanntlich: Viele Jäger sind des Hasen Tod.

Kaitlyns Überlebensmethode ist deshalb denkbar „einfach“. Sie arbeitet ihren langfristigen Plan systematisch ab. Gleichzeitig fokussiert sie stets nur den einen aktuellen Tag ihrer Flucht. Und womit sie am wenigsten rechnet, ist das Erreichen des nächsten Tages mit den immer neuen Herausforderungen.

In den Perspektivwechseln wird das Bemühen der Jäger genau beschrieben, von dem Kaitlyn nur eine vage Vorstellung haben kann. Dadurch erzeugt der Autor ein hohes Spannungspotenzial, dem man sich nicht mehr entziehen möchte.

Anthony McCarten geht es jedoch um viel mehr als nur um ein spannendes Experiment. Dies wird deutlich, wenn er über Kaitlyn immer mehr Details verrät, die allmählich das Ausmaß ihres Planes offenbaren.

Die intensive Aneignung privater Daten

durch Geheimdienste und Konzerne werden wie eine Universalwaffe demonstriert, die Kaitlyn einerseits verdammt und andererseits für das Erreichen ihres Ziels dringend benötigt.

In einem Interviewausschnitt am Ende des Romans wird der Autor nach seiner Intention gefragt. Seine Meinung darf man nicht nur eindeutig verstehen, sie ist zugleich auch eine Warnung an seine Leserschaft, mit der Weitergabe persönlicher Daten sparsam zu sein.

Im Hinblick auf die Milliarden Menschen, die sich in den sozialen Medien von ihrer besten Seite präsentieren, die Nutzung unzähliger Apps, kommt die Warnung zu spät.

Der Mensch ist schon lange öffentlich

und sein Konsumverhalten gläsern geworden. Wer weiß noch genau, ob das eigene Verhalten tatsächlich aus dem eigenen Antrieb oder schon lange das Ergebnis eines dynamischen „Überzeugungs“-prozesses ist. Spätestens, wenn fremde Erwartungen bedient werden, wäre ein Innehalten für eigene Gedanken nötig. Aber wer macht das schon? Hier wäre der Ansatz für die Fortsetzung des absolut lesenswerten Romans Going Zero. Und was wäre, wenn der Energieaufwand für die totale Überwachung für andere Zwecke genutzt würde?

Anthony McCarten: Going Zero
Aus dem Englischen übersetzt von Gabriele Kempf-Allié und Manfred Allié
Diogenes, April 2023
464 Seiten, Hardcover Leinen, 25,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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