Angelina Boerger: Kirmes im Kopf: Wie ich als Erwachsene herausfand, dass ich AD(H)S habe

Für all die wundervoll anders tickenden Gehirne da draußen“ – Angelina Boerger

Angelina Boerger hat selbst erst im Erwachsenenalter von ihrem ADHS erfahren. Auf ihrem Instagram-Channel „KirmesimKopf“ klärt sie ihre Followerschaft über das Syndrom auf. Jetzt hat sie ihr erstes Buch rausgebracht. Darin teilt sie ihre Geschichte, Emotionen und all das, was mit ihrer Diagnose und ihrem Weg dorthin, zusammenhängt. Ungefiltert, offen und ehrlich.

Yay, endlich eine moderne Auseinandersetzung mit dieser wichtigen Thematik! Die 304-seitige Lektüre ist sehr angenehm zu lesen und absolut Gold wert für alle Betroffenen und Interessierte. Ich selbst habe so viel Neues gelernt. Auch wenn sich für mein Empfinden einige Passagen etwas gezogen haben und ein paar gekürzte Anekdoten mehr Esprit versprüht hätten, sehe ich die ein oder andere Länge in diesem Buch – in Anbetracht des fulminanten Mehrwerts – nach.

Meine ‚Andersartigkeit‘ ist keine Facette menschlichen Seins, sondern im Endeffekt ein Fehler im System. Und durch die Tabuisierung solcher Gefühle und Themen entsteht dann oft das Gefühl, man wäre ganz alleine mit seinen Problemen. Das ist aber nicht wahr. Denn wir sind viele.“ (S. 83)

Beim Lesen entdecken wir wertvolles Wissen und Einblicke, u. a. in die ADHS-Erscheinungsbilder (Subtypen), ihrer Symptome; wieso Vorurteile über ADHS-Medikamente gefährlich sind, Bewältigungsstrategien, Stigmatisierungen, Deutschlands Therapieplatzproblem et cetera.

Außerdem berichtet sie über die Schattenseiten, wie Begleitstörungen (Komorbiditäten wie bspw. Substanzgebrauchsstörung, Depression, Angststörungen, Schlafstörungen) und dass ADHS natürlich auch die Beziehungen beeinflusst.

Insbesondere ihre Ausführungen zur Neurodiversität haben mich sehr begeistert, da ich darüber schon einige Bücher gelesen habe.

Insgesamt ist „Kirmes im Kopf“ ein im wahrsten Sinne des Wortes spannender Rundumschlag durch das weite Spektrum der ADHS. Damit ist das Werk nicht nur ein wichtiger Meilenstein in der Aufklärungsarbeit, sondern ein noch größerer Meilenstein für die Menschen, die sich selbst nicht mehr nur als undiszipliniert, anstrengend und verpeilt fühlen wollen.

Das Gefühl der Selbstermächtigung wirkt manchmal so, als zersplittere unsere Gesellschaft in immer mehr kleine Teile, weil sich plötzlich jede*r ihrer*seiner Individualität bewusst wird.“ (S. 242)

Angelina Boerger: Kirmes im Kopf: Wie ich als Erwachsene herausfand, dass ich AD(H)S habe.
Kiepenheuer & Witsch, Februar 2023.
304 Seiten, Paperback, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Olivia Grove.

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