„Doitscha“ – so hört es sich an, wenn David, der älteste Sohn von Autorin Adriana Altaras, seinen Vater einen Deutschen nennt. Überhaupt trägt David viele erbitterte pubertäre Kämpfe mit dem Vater aus.
Wer könnte nicht besser über einen jüdisch-deutschen Familienalltag, über jüdische Traditionen und die Chancen auf ein neues Begegnen unserer unterschiedlichen Kulturen untereinander schreiben, als Adriana Altaras.
Die Kapitel sind eher lose miteinander verwoben. Überschrieben sind sie mit dem jeweiligen Namen der Familienmitglieder (Adriana selbst, ihr Partner Georg, die Söhne David und Sammy, Adrianas Freund Aaron und ihre Psychotherapeutin, sowie ihre alte italienische Tante), aus deren Sicht Altaras dann den Text aufbereitet – was ihr wunderbar gelingt. So schaffen Denkweisen und sprachliche Eigenheiten Vertrautheit und Nähe.
Dabei bleibt es nicht ausschließlich beim Familiären, über das wir lesen. – Der Tod von Altaras‘ Freund Aaron, der gleichzeitig Davids Patenonkel ist und die in Jiddisch und Deutsch abgedruckte Grabrede für ihn, bringt eine ganz melancholisch-urtümliche Komponente ein. Die Konversationen der Familienmitglieder während einer Reise ins Gelobte Land – z. B. über die Palästinenserfamilien, die im Grenzgebiet leben, zeigen politische Sichtweisen auf. – Ebenso interessant liest sich die Episode über Adriana Altaras‘ Rede in der Frankfurter Paulskirche zur Reichsprogromnacht, die auf das Durchbrechen alter Denkstrukturen hinweist.
Adriana Altaras‘ Handschrift ist unverkennbar: Witzig pointiert und mit einem ganz speziellen Charme untermalt.
Adriana Altaras: Doitscha: Eine jüdische Mutter packt aus.
Kiepenheuer & Witsch, November 2014.
272 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.