Paddington Station in London. Es ist ein ganz normaler, hektischer Morgen für tausende Menschen. Nur für Fern und Elliott ist er anders. Sie begegnen sich zufällig an besagtem Bahnhof und ihr Leben gerät dadurch durcheinander. Denn vor fünfundzwanzig Jahren waren die beiden ein Liebespaar, hatten sich dann aber getrennt und jeder seinen eigenen Lebensweg eingeschlagen. Schnell wird klar, dass sie übereinander nicht komplett hinweg sind und das Treffen zumindest gedanklich Einiges angestoßen hat. Fern bekommt Elliott nicht mehr aus dem Kopf und ist den ganzen Tag abgelenkt, Elliott seinerseits ist sich unsicher, ob er Fern vielleicht sogar nochmal sehen möchte, zum Beispiel auf einen Kaffee – und was könnte dann alles passieren?
Zeitlich betrachtet „Als gestern noch morgen war“ nur einen sehr kleinen Rahmen, denn die Handlung des Romans umfasst gerade mal ein paar Stunden. In denen passiert aber vor allem in den beiden Hauptfiguren Einiges. Angestoßen durch ihr Aufeinandertreffen erinnern sie sich beispielsweise an wichtige Stationen ihrer damaligen Beziehung. Ein im Bett verbrachter Tag, ein erstes Date, ein erster Kuss, der erste richtige Streit. All diese Erinnerungen werden ebenfalls rückblickend aufgegriffen, so dass ein klares Bild der Beziehung der beiden entsteht. Und schnell wird klar, dass sie öfter an Kreuzungen standen und Entscheidungen fällen mussten. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wenn sie hier oder dort anders entschieden hätten? Mit dieser Frage befasst sich Claire Dyer sehr zentral in ihrem Roman.
Dabei schreibt die Autorin hochwertig, teils aber auch langatmig. Es gelingt ihr gut, ihre beiden Protagonisten ins rechte Licht zu rücken und darzustellen, in welch schwieriger Lage sie sich befinden. Denn es ist spürbar, dass sie einander gerne wiedersehen wollen und auch noch etwas füreinander empfinden. Doch sie haben mittlerweile jeder ein eigenes Leben und Verantwortung für andere übernommen, die durch eventuelle Entscheidungen nun mitbeeinflusst werden würden. All diese Überlegungen finden in einer tollen, ruhigen Grundatmosphäre statt, so dass man gerne in diese Geschichte eintaucht. Es fehlt zwar das gewisse Etwas, um diesen Roman grandios zu machen, gut ist er aber allemal.
Nette Lektüre für all jene, die gerne Liebesgeschichten lesen und einen poetischen Schreibstil dabei nicht scheuen.
Claire Dyer: Als gestern noch morgen war.
Droemer, August 2014.
336 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.