Wole Talabi: Shigidi

Stellen Sie sich eine Götterwelt vor – komplett mit Götterrat, Intrigen und Verrat –, in der die Anbetungswürdigen sich und ihre Rangfolge wie in einem mittelständischen Unternehmen organisiert haben. Wie wir es aus der Realität kennen, herrscht dort viel Leerlauf, und die Bürokratie zweigt jede Menge Anbetung ab, sodass den nicht ganz so bekannten, aber dennoch wichtigen Göttern kaum etwas für ihre anbetungswürdige Existenz übrig bleibt. In dieser Maschinerie finden sich auch Shigidi, der Albtraumgott im Ruhestand, und die Succubus Nneoma wieder.

Dass sich unser kleiner, unbedeutender Gott dank seiner Bekanntschaft und Hingabe zur Sukkubus äußerlich in ein durchaus ansehnliches Exemplar der Gattung Männer-Gott gewandelt hat – komplett mit Waschbrettbauch –, darf nicht unerwähnt bleiben. Dass er seiner sexuellen Muse ein ums andere Mal seine Liebe gesteht, kommt bei dieser jedoch nicht besonders gut an.

Beide haben noch einige Schulden bei einem der höheren Götter im Ruhestand. Da kommt das Angebot, diese erlassen zu bekommen – ja sogar ein Guthaben aufzubauen –, wie gerufen.

Die Aufgabe, die sie annehmen, erscheint zunächst nicht wirklich kompliziert oder schwierig: Es gilt, einen heiligen Messingkopf mit einem Aspekt des Yoruba-Himmelsgottes aus der geisterweltlichen Version des British Museum zu bergen. Das läuft dann aber offensichtlich doch nicht so reibungslos, und nur zu bald geht es nicht mehr um Erfolg oder Misserfolg, sondern schlicht ums Überleben …

Auf der Habenseite des Romans, der sich wie der Auftakt einer neuen Urban-Fantasy-Reihe präsentiert, steht das Setting. Talabi baut seinen Plot – genauer gesagt das Götterpantheon – auf dem traditionellen Mythos der nigerianischen Yoruba auf und modernisiert diesen geschickt. Auch der Abschnitt, der sich letztlich mit dem Raub aus dem Museum beschäftigt, bot faszinierende und packende Lektüre.

Allerdings nimmt dieser Subplot nur rund 100 der fast 350 Seiten ein. Bis dahin geht es viel in der Zeit hin und her, wir erfahren einiges aus der Vergangenheit unserer beiden Protagonisten – und werden dabei mit Sexszenen fast schon erschlagen.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe absolut nichts gegen körperliche Begegnungen, nur nimmt das hier ein klein wenig überhand. Das hat naturgemäß damit zu tun, dass eine unserer Handlungsträgerinnen ein Succubus ist, aber hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Der Plot fühlte sich für mich an diesen Stellen nicht wirklich stimmig und einfach zu uninteressant an. Ich gestehe, dass ich versucht war, das Buch zuzuklappen – las dann aber doch weiter, weil ich auf den Museums-Coup hoffte. Dieser kam dann zwar, wenn auch spät, stand aber deutlich im Schatten der vorhergehenden, letztlich langweiligen Beschreibungen.

So kann ich leider keine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Zu sehr konzentrierte sich der Verfasser auf das Spiel auf den Laken, zu wenig auf eine packende übernatürliche Auseinandersetzung.

Wole Talabi: Shigidi – Raum im Britischen Museum
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Andreas Helweg
Penhaligon Verlag, Februar 2025
348 Seiten, Paperback, Euro 18,00

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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