Vera Zischke: Ava liebt noch

„Ich bin gerade mal 43 Jahre alt. Die letzten zwölf davon war ich eingefroren“. Das ist ein zentraler Satz aus dem Roman über Ava, eine „ganz normale“ Hausfrau und Mutter von drei Kindern im Alten von 12, 10 und 5 Jahren. Ihren Beruf als Lektorin hat Ava aufgegeben, um sich zunächst um die Kinder zu kümmern. Bis sie aus dem Gröbsten raus sind, wie man sich das so vorstellt. Ihr Mann Ralf macht währenddessen Karriere als renommierter Anwalt. Ava fühlt sich nicht mehr gesehen, nicht mehr begehrt und eher wie ein Möbelstück. Dann lernt sie Kieran kennen. Student, neunzehn Jahre jünger als Ava, verdient sich mit Nebenjobs sein Auskommen und bringt Avas Tochter das Schwimmen bei.

Als er Mia vorm Ertrinken rettet, kommen sie sich näher. Auf dem Krankenhausflur gesteht Ava Kieran, dass sie selbst nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Tochter zu retten, sie kann nicht schwimmen. Kieran bietet an, ihr Schwimmunterricht zu geben, vormittags, wenn im Hallenbad kaum Betrieb ist. Aus dem Schwimmunterricht wird bald mehr. Ava und Kieran verlieben sich, stürzen sich in eine Affäre, die – wie sie sich beide bewusst sind – keine Zukunft haben kann. Der Altersunterschied! Das Gerede im Ort! Die Hänseleien, denen die Kinder ausgesetzt wären. Ava will nicht, dass Kieran sich die Chance verbaut, eine jüngere, passende Frau kennenzulernen, eine eigene Familie zu gründen. Sie unterstützt ihn bei seiner Abschlussarbeit in Literaturwissenschaften, mit der er sich schwertut. Kieran wird an einer renommierten Journalistenschule angenommen, ihre Wege trennen sich.

Aber vergessen kann Ava Kieran nicht. Kieran macht Karriere. Als Reporter für angesehene Tages- und Wochenzeitungen, er lebt zunächst in Hamburg, später geht er mit seiner Freundin nach New York. Sie macht dort Karriere im Marketingbereich, er möchte ein Korrespondentenbüro aufbauen. Sie planen ihre Hochzeit, ein gemeinsames Leben. Doch daraus wird nichts, die Beziehung zerbricht, und Kieran geht zurück nach Deutschland.

Als Ava zur Reha an der Ostsee ist, schreibt sie Kieran eine Nachricht. Die Nummer hat sie nie gelöscht und sie ist auch noch gültig. Sie sehen sich wieder, Ava bricht die Reha ab, verbringt den Rest der Zeit bei Kieran. Die alten Gefühle brechen wieder auf. Nach Jahren der Trennung stehen sie jetzt zu ihren Gefühlen. Avas Ehe zerbricht, Ralf wusste wohl schon lange von ihren Gefühlen für den wesentlich jüngeren Mann. Sie trennen sich in Freundschaft. Für die Kinder ist es schwerer, vor allem Nico, der Jüngste, kann seiner Mutter nicht verzeihen, dass sie die Familie zerstört hat. Doch für Ava war es die richtige Entscheidung. Sie fühlt sich wieder frei und geliebt.

Eigentlich ein ganz normaler Roman, wie es viele gibt über ähnliche Konstellationen und Situationen. In Ava werden sich bestimmt viele wiedererkennen. Eine Frau zwischen Verpflichtungen, Familie und dem Wunsch nach einem eigenen Leben. Immer wieder überraschende Wendungen, bis ganz zum Schluss kann man nicht wirklich vorhersehen, wie der Roman enden wird. Emotional berührend und einfühlsam, hart und ehrlich. Ein Appell, für das eigene Glück zu kämpfen – auch gegen die gesellschaftlichen Konventionen. Erzählt wird aus zwei Perspektiven – Avas und Kierans, jeweils klar formuliert, offen und ehrlich, schnörkellos. Eine Geschichte, die nicht nur das Dilemma vieler Frauen beschreibt, sondern auch die Frage aufwirft, warum wir uns eigentlich so schwertun, eigene Bedürfnisse auszuleben und auf die innere Stimme zu hören.

Vera Zischke: Ava liebt noch
Ullstein, August 2024
304 Seiten, Hardcover, 21,99 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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