Val McDermid: Der Verrat

valStephanie hat einige Erfahrung damit, Menschen zu durchschauen, ihnen Geheimnisse zu entlocken und diese auch zu bewahren, wenn es die Situation erfordert. Sie ist Ghostwriter, sie ist diejenige, die die Biographien von Prominenten aufhübscht, damit man sie auch verkaufen kann. Und sie ist gut in ihrem Job. Deswegen bekommt sie von ihrer Agentin Scarletts Biographie als neue Aufgabe vorgeschlagen.

Scarlett ist eine von diesen Neu-Prominenten, deren einzige Leistung es ist, prominent zu sein. Das allerdings beherrscht sie bis in die letzte Kleinigkeit. Aus einem Haushalt kommend, in dem Alkohol als Grundnahrungsmittel zählt und Bildung mit Fernsehbildern verwechselt wird, erkennt sie ihre Chance, als es ihr gelingt, in eine Ausgabe von Big Brother zu gelangen. Die erste Staffel übersteht sie, in der zweiten wird sie wieder eingeladen und steigt publikumswirksam aus. Von da an geht es immer weiter aufwärts, Scarlett spielt ihre Bälle geschickt in die Presse und das englische Publikum liebt sie. Davon kann man leben.

Stephanie schreibt Scarletts Biographie, das Buch wird ein Erfolg, die beiden Frauen werden Freundinnen. Scarlett steht Stephanie bei, als es zum Bruch mit ihrem Lebensgefährten kommt und umgekehrt wird es genauso. Stephanie wird Patin von Scarletts Sohn.

Zwei Jahre später fliegt Stephanie mit dem Kind in den Urlaub nach Amerika. Sie weiß, dass die Sicherheitsschleuse anschlagen wird, und bleibt ruhig, als sie in den Untersuchungsbereich geführt wird. Der Junge wartet. Dann wird er von einem Mann weggeführt. Die Sicherheitsbeamten wollen Stephanie nicht zuhören, sie durchbricht die Absperrungen und wird als Sicherheitsrisiko überwältigt. Bis ihr endlich zugehört wird, ist der Junge mit dem Fremden längst verschwunden. Aber wer bitte sollte den Jungen entführen wollen? Scarlett ist tot und ihr Vermögen nicht mehr vorhanden.

„Verrat“ ist ein perfider Thriller über Freundschaft und Betrug. Es geht um Bilder für die Öffentlichkeit und Bilder, die man nur in sich selbst trägt. Stephanie als Perspektivträger ist hervorragend gewählt, denn obwohl sie viel mehr von Scarletts Persönlichkeit begreift als die meisten Menschen, kann auch sie nur auf die Oberfläche schauen. Sie sieht zwar Anderes, als die Öffentlichkeit, aber auch sie sieht nur das, von dem Scarlett will, dass sie es sieht.

Fazit: Auch ohne Tony Hill: Einer der besten Romane von Val McDermid.

Val McDermid: Der Verrat.
Droemer, September 2013.
512 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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