Luise erzählt von ihrer Kindheit mit dem Zwillingsbruder Ludwig in Kollbach, von ihrem Leben in Regensburg, vom Verschwinden und der Rückkehr Ludwigs. Anlass für den Rückblick ist die Rückkehr von Luises Bruder nach einer Abwesenheit von fünf Jahren, die genauso wenig erklärbar ist wie das Bluten aus den Augen einer lokalen Beinahe-Heiligen.
Luise hat ihren Bruder immer bewundert, hat zu ihm aufgeschaut und seine dunklen Wesenszüge und seinen manischen Ordnungssinn nicht nur akzeptiert, sondern darin seine Überlegenheit erkennen wollen. Doch wo war Ludwig? Warum ist er gegangen? Warum spricht er nun, zurückgekehrt, eine Sprache, die seine Familie nicht versteht?
„Schwimmerbecken“ ist ein tottrauriger und unglaublich spannender Heimat- und Kindheitsroman, in dem alles gleichzeitig einfach und magisch ist. Der schwarze Bach, der durch den Ort Kollbach fließt, ist unruhig und dunkel wie Ludwig, Luise erzählt davon und von der keltischen Vergangenheit des Ortes.
Alle Figuren sind in ihrer Umgebung verwurzelt, jede mit kurzen Worten so klar und mit Tiefe beschrieben, dass die Bibliothekarin, der Wirt, die Eltern und Ludwigs Freundin dem Leser bald vertraut sind. Trotzdem bleiben Rätsel und Fragen offen, manche bis zum Schluss: eine tote Katze, ein abgebrannter Hof, eine Schwimmschülerin von Luise in Regensburg, Lotte, von der Ludwig erzählt, die aber keiner kennt, seltsame Dateien auf Ludwigs PC; vieles wird angedeutet, erschreckt und bleibt zunächst unerklärlich.
Weil Luise ihren Bruder nicht mehr versteht und der Leser weder weiß, wohin er verschwunden, noch warum er weggegangen ist, treibt der Wunsch, dieses Geheimnis zu lüften, ihn zum Weiterlesen an. Im Weiteren wird Ludwig in die Psychiatrie eingewiesen und sein Psychiater drängt Luise, sich mit der Geschichte des Bruders zu beschäftigen. Sie tut dies zunächst ungern, genau wie sie den Inhalt seines PCs zunächst nicht gern erkundet. Doch überall gibt es Spuren, die in ihre gemeinsame Vergangenheit führen.
„Schwimmerbecken“ ist die Geschichte zweier Geschwister in einem bayerischen Dorf in den Achtziger Jahren, die sich durch Erwähnung von PC und Anrufbeantwortern zeitlich verorten lässt, nicht durch die Beziehung der Figuren untereinander, die zeitlos zu sein scheint.
Das Geheimnis von Ludwigs Verschwinden, das Geheimnis der ganzen Familie, wird gelüftet, wer am Ende zu den Schwimmern gehört oder zu den Nichtschwimmern, wer untergeht, wird aufgelöst.
Wunderbare Sprache, unglaublich intensive Geschichte: Lesen!
Ulrike Anna Bleier: Schwimmerbecken.
Lichtung, Oktober 2016.
160 Seiten, Taschenbuch, 16,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Corinna Griesbach.
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