Tor Fretheim: Die Stille nach Nina Simone

ninaNina Simone ist eine Jazz-Sängerin, deren Lieder Simons Eltern im Schlafzimmer abgespielt haben, während sie sich stritten und der Vater die Mutter schlug.
An diese Sängerin schreibt Simon nun Briefe, während er im Zug auf dem Weg zu seinem Vater ist. Auf nur 124 Seiten (in großer Schrift mit vielen Absätzen, die die kurzen Sätze trennen), wird so die Familiengeschichte von Simon erzählt. Gerade weil es nur zwei bis drei Stunden dauert, bis der kurze Text bewältigt ist, erscheint er unheimlich bedrückend.
Mehr zum Inhalt: Auf einer Zugfahrt nach Nordnorwegen versucht Simon seine Gedanken zu ordnen. Warum verschwand seine Mutter so plötzlich aus seinem Leben? Was geschah im Elternschlafzimmer, wenn die Jazz-Musik von Nina Simone laut aufgedreht wurde? Und was geschah, wenn es danach so still wurde? Vor allem: Wieso weicht der Vater, der all seine Fragen beantworten könnte, ihm aus?
Nach zwei, drei Stunden Lesezeit ist man in das Rätsel um die Sängerin Nina Simone eingetaucht, das auch Simons Leben geprägt hat. Über Simon und seine Eltern erfährt der Leser das, was der Junge in Briefen an die Sängerin preisgibt: Seine Eltern und er waren „eine ganz normale Familie“, eigentlich – allerdings hört Simon aus dem Elternschlafzimmer ungewöhnliche Geräusche, die er aus den laut abgespielten Liedern der Jazz-Sängerin herauszufiltern versucht. Schließlich verschwindet seine Mutter und die Polizei ermittelt.
Simon erlebt, wie sein Vater sich in Lügen und Ausreden verstrickt, es wird klar, dass er Simons Mutter jahrelang misshandelt hat.
Soviel zur Handlung, zu viel will ich wie immer nicht verraten.
Dieser kurze Anriss könnte wie eine Krimi-Handlung wirken, das Jugendbuch ist allerdings kein Krimi. Zwar wird bis zuletzt eine Spannung aufrechterhalten, der Leser will wissen, wie Simons Mutter getötet wurde und ob Simons Vater zu Recht verhaftet wurde. Es geht aber nicht um Ermittlung und Aufklärung.
Ich hätte mir für Simon (und mich als Leserin) irgend einen kleinen Lichtblick gewünscht, einen zweiten Handlungsstrang, eine Person, der er vertraut und die ihm einen Weg in eine mögliche Zukunft weist.
So steht die Frage nach Schuld und Vergebung offen über allem Leid und bleibt unbeantwortet. Das ist das Recht eines guten Buches – mich hat es sehr schwermütig zurück gelassen: „Das Ende kennt niemand“.

Tor Fretheim: Die Stille nach Nina Simone.
mixtvision, September 2015.
130 Seiten, Taschenbuch, 12,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Corinna Griesbach.

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