Tim Parks beweist aufs Neue, dass er viele Facetten des Schreibens beherrscht und den wenigen Autoren angehört, die unterschiedliche Genres bedienen können.
In Thomas & Mary beschreibt Parks die Zerrüttung einer langjährigen Ehe in verschiedenen Stadien. Dabei bedient er sich unterschiedlicher Perspektiven, in unterschiedlich zu lesenden Episoden. Überwiegend wird die Situation aus der Sicht von Thomas geschildert. Anfangs hat man das Gefühl, die Fassung eines Textrohlings zu lesen, in dem die Zusammenhänge noch nicht ausgearbeitet wurden. Man vermisst im Text den sonst so fesselnden literarischen Tiefgang, den Parks doch so trefflich beherrscht, was sich aber in späteren Episoden ändert. Deshalb bitte unbedingt weiterlesen! Im Nachwort bestätigt Parks denn auch, dass er die Abfolge der Kapitel immer wieder neu gemischt hat, und selbst als das Buch erschienen war, für die Taschenbuchausgabe zusätzliche Kapitel geschrieben habe.
Aus der Hand legen kann man das Buch aber selbst im ersten Drittel nicht. Parks detaillierter Blick in das Seelenleben seiner Protagonisten lassen in ihrer eingehend beschriebenen Alltagsroutine, die in der Sackgasse endet, nicht los. In den Figuren von Thomas und Mary spiegeln sich viele bekannte Verhaltensmuster, die Tim Parks schonungslos und akribisch ausarbeitet. Der Leser weiß mit dem Blick von außen um die Gefahren der fortschreitenden Gleichgültigkeit des Paares, das sich stoisch immer mehr destruktive Gewohnheiten in der Beziehung zu eigen macht.
Thomas stürzt sich in Affären, in denen er keine Bestätigung findet. Mary widmet sich zunehmend und ausgiebig mehr ihrem Hund und anderen flüchtigen Bekanntschaften als ihrer Ehe. So wird das sich aus dem Weg gehen zur Regel und weder Thomas noch Mary sind fähig, die Situation zu ändern.
Letztlich ist Thomas & Mary durch den psychologischen Blickwinkel, den Parks aufzeigt, keineswegs nur ein Buch über eine zerrüttete Ehe. Tim Parks schärft damit auch die Sicht auf die eigene Lebenseinstellung und elementare Prämissen.
Tim Parks: Thomas & Mary.
Verlag Antje Kunstmann, Februar 2017.
336 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.