Tilo Eckardt: Gefährliche Betrachtungen: Der Fall Thomas Mann

Was für eine imposante Idee, den einstigen Literaturnobelpreisträger Thomas Mann fiktiv in einen historischen Kriminalroman zu verweben! Weitaus bemerkenswerter jedoch erweisen sich im Plot die Parallelen vom Deutschland der dreißiger Jahre mit den immer mehr an Aufwind erlangenden nationalistischen Strömungen zur aktuellen politischen Stimmungslage. Hier wird auf erschreckende Weise deutlich, wie sich Geschichte wiederholen kann.

Das einstige Sommerhaus von Thomas Mann auf der Kurischen Nehrung in Nida ist heute eine deutsch-litauische Begegnungsstätte und Museum. Nur wenige Meter davon entfernt hat der Autor Tilo Eckardt für zwei Monate in einer Autorenresidenz gelebt und an diesem Buch geschrieben. Hierher, mit Blick auf das Memeldelta und Haff, ließ Thomas Mann sich 1929 sein Ferienhaus erbauen. Hier verbrachte Thomas Mann drei Sommer über mit seiner Familie. Inmitten knorriger Kiefern mit Blick aufs Wasser lebte der Schriftsteller zurückgezogen im Sommerhaus und hat geschrieben. Tilo Eckardt erweckt die Vergangenheit und den großen Schriftsteller mit seinem Roman „Gefährliche Betrachtungen“ auf ungewöhnliche Weise wieder zum Leben:

Der junge litauische Übersetzer Zydrunas Miuleris versucht im idyllischen ostpreußischen Fischerdorf Nidden die Aufmerksamkeit von Thomas Mann zu erlangen. Er biedert sich dem berühmten Schriftsteller an, dessen Werk „Buddenbrooks“ ins Litauische zu übersetzen. Aber dann verschwinden unter mysteriösen Umständen prekäre Abschriften eines Redemanuskripts von Thomas Mann. Um zu verhindern, dass dieses Manuskript in falsche Hände gelangt, versucht Thomas Mann, der nun die Rolle als eine Art Sherlock Holms einnimmt, zusammen mit Miuleris, der als Watson agiert, die verloren gegangenen Blätter wiederzuerlangen.

Schön zu lesen sind treffende Doppeldeutigkeiten wie „die steilen Schrifthaken, an denen Mann seine Gedanken aufhängte“ (E-Book S. 43).

Die Landschaft sowie damalige Sprachgewohnheiten und gesellschaftliche Gepflogenheiten hat der Autor treffend nachempfunden. Auch die Person Thomas Mann selbst ist in Habitus und Verhalten glaubwürdig dargestellt.

Der Handlungsverlauf liest sich trotz des stimmigen Spannungsbogens eher verhalten.

Dieses vom Verlag als Kriminalroman deklarierte Buch wird aber auf jeden Fall Fans historischer Romane, in denen das Ende der Weimarer Republik und das Aufkeimen des Nationalsozialismus thematisiert wird, ansprechen.

Fazit: trotz des stellenweise als etwas zu gedämpft empfundenen Tones interessant zu lesen.

Tilo Eckardt: Gefährliche Betrachtungen: Der Fall Thomas Mann.
Droemer, November 2024.
304 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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