Stefan Winges: Süßes Alibi

suessKöln 1895. Der reiche Fabrikant Eduard Klingenberg wird erdrosselt in seinem Büro aufgefunden. Der einzige Zugang zum Tatort ist die Terrassentür, die auf einen ummauerten Innenhof führt. Dessen alte und verroste Eisentür ist offensichtlich seit Jahren nicht mehr geöffnet worden. Der Verdacht fällt auf den jungen Ingenieur Theodor Böken, dem Leiter der Entwicklungsabteilung in Klingenbergs Fabrik, der am Morgen des Todestages von dem Fabrikanten nach einem lautstarken Streit entlassen worden ist.

Doch der exzentrische Privatermittler Marius van Larken glaubt nicht an die Schuld Bökens. Er macht sich gemeinsam mit seinem Mitbewohner Dr. Möring daran, Beweise für die Unschuld des jungen Ingenieurs zu finden.

Süßes Alibi ist nach Ein Drei-Tassen-Problem und Mord im Afrika-Club bereits der dritte Roman um den Kölner Privatermittler und Sherlock-Holmes-Verschnitt Marius van Larken. Ein deutscher Sherlock Holmes und das ausgerechnet in einer Stadt wie Köln, zu der einem Nicht-Kölner spontan nur Karneval und BAP einfallen? Geht das? Ja, das geht. Ausgesprochen gut sogar.

Die biedere und kleinbürgerliche Atmosphäre Kölns im ausgehenden 19. Jahrhundert schafft eine im besten Sinne altmodische und heimelige Welt, in der Stefan Winges seinen Meisterdetektiv ermitteln lässt. Von Larken raucht zwar kein Opium wie Sherlock Holmes, steht aber seinem großen britischen Vorbild in Exzentrizität in nichts nach. Er verbringt seine Tage in einem roten Morgenmantel aus Seide, trägt bunt bestickte türkischen Pantoffeln und bereitet seinen Mokka auf einem Bunsenbrenner (!) zu.

Zusammen mit dem praktischen Arzt Dr. Möring, einem Afrika-Veteran, bewohnt er ein Appartement in der Brabanter Str. 21B, wo die beiden Männer von ihrer Zimmerwirtin Frau Becker umsorgt werden. Möring tritt bei weitem nicht so naiv auf wie Holmes Adlatus Watson, sondern verfügt über eine recht spitze Zunge und bietet van Larken häufig Paroli. Kommissar Strammel, ein rechtschaffener, aber wenig phantasiebegabter deutscher Polizist, bildet den perfekten Gegenpart zu van Larken, mit dem die Einbildungskraft nur zu oft durchgeht.

Geistreiche und geschliffene Dialoge, eine gute Portion trockener Humor und ein cleverer Plot machen das Buch zu einem reinen Lesevergnügen. Der in Deduktion geschulte Fan der Sherlock-Holmes-Geschichten wird zwar schon recht früh ahnen, wer der Täter ist und wie dieser sich sein Alibi beschafft hat. Aber Stefan Winges Roman wartet im letzten Kapitel mit einer originellen und unerwarteten Wendung auf, von der ich behaupten möchte, dass kaum ein Leser mit dieser Auflösung rechnen wird. Es sei nur so viel verraten: Es hat mit dunkler Schokolade zu tun.

Das Format des Romans entspricht in etwa der Größe eines Notizbuchs und die Länge der Geschichte eher einer Novelle als einem Roman. Mit dem edlen Leineneinband und der Aufmachung als Schokoladentafel ist Süßes Alibi ein echter Hingucker und ein schönes Mitbringsel für liebe Verwandte und Freunde an Stelle von (oder auch zusammen mit) süßen Kalorienbomben.

Fazit: Für Fans des britischen Meisterdetektivs ein Muss. Für alle anderen Krimfreunde auch.

Stefan Winges: Süßes Alibi.
Emons, Oktober 2011.
176 Seiten, Taschenbuch, 8,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martina Sprenger.

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