Roisin Maguire: Mitternachtsschwimmer

Evan nimmt sich eine Auszeit. Eine Woche lang will er in dem Dörfchen Ballybrady an der Küste ein Cottage mieten und darüber nachdenken, wie es in seinem Leben weitergehen könnte. Er flüchtet vor einer Menge an Problemen aus Belfast. Seine Ehe droht zu zerbrechen, er arbeitet zu wenig und trinkt zu viel. Nach und nach legt die Autorin die wunden Punkte in Evans Leben offen. Er gibt sich die Schuld am Tod seiner kleinen Tochter Jessie und findet keinen Zugang mehr zu seiner geliebten Frau Lorna.

Kaum ist er in dem zwar sauberen, aber finsteren Cottage angekommen, legt der Lockdown das Land lahm. Evan sitzt fest. Nach und nach lernt er gezwungenermaßen seine Nachbarn und die anderen Dorfbewohner kennen. Allen voran die seltsame Grace, die immer einen riesigen Hut und ausgefallene Kleidung trägt. Sie ist Evans Vermieterin, kratzbürstig, mit zerzausten Haaren, vom Wetter gegerbt und versehen mit einer scharfen Zunge. So mancher bekommt verbal eines von ihr übergebraten.

Aber niemand kennt die Strömungen vor der Küste besser als Grace. Sie verbringt viel Zeit auf dem Wasser und in der Natur, immer in Begleitung ihres hässlichen Hundes oder ihres Esels. Nach geraumer Zeit gibt Lorna ihren gemeinsamen Sohn Luca bei Evan ab, weil sie sich bei den Gegebenheiten nicht mehr um ihn kümmern kann. Luca ist acht Jahre alt und taub. Zu Evans großem Erstaunen findet Grace Zugang zu Luca und das Kind blüht auf. Evan erkennt, unter einer sehr rauen Schale und vernarbten Verletzungen hat Grace ein Herz aus Gold.

Rückkehr ins Dorf

Auch Abbie, die Nichte von Grace, kehrt ins Dorf zurück. Sie ist ein bisschen füllig und wurde auf der Uni deswegen gehänselt und gemobbt. Jetzt, im Lockdown, gibt es Gott sei Dank keine Vorlesungen. Gemeinsam mit Evan, Luca und Grace bildet sie ein buntes, etwas schräges Quartett. Luca liebt das Meer und die Tiere darin und drumherum. Als seine Mutter ihn wieder abholen und nach Belfast mitnehmen will, ist er unauffindbar. Auch das Boot von Grace fehlt. Es startet eine große Suchaktion, bis man das Boot an der Steilküste findet. Leer.

„Mitternachtsschwimmer“ verdient viel Aufmerksamkeit. Roisin Maguire erzählt eine wunderbare Geschichte. Der Stil bleibt dabei immer sachlich, wird nie kitschig. Die Figuren biedern sich dem Leser nicht an, wachsen einem aber gegen Ende umso mehr ans Herz. Und eines sei verraten – es gibt ein gutes Ende.

Fazit: Unbedingt lesen.

Roisin Maguire: Mitternachtsschwimmer.
Aus dem Englischen von Andrea O´Brien.
Dumont, Juli 2024.
349 Seiten, Hardcover, 24,00 €.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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