Neun Geschichten sind in diesem Erzählband von Ralf Rothmann versammelt. Jeder einzelne Text strahlt eine besondere Magie aus.
Zwei von Ralf Rothmanns früher erschienenen Bücher sind ebenfalls im Schreiblust-Leselust-Portal zu finden: Hotel der Schlaflosen und Im Frühling sterben.
In der titelgebenden Erzählung Museum der Einsamkeit geht es um eine alte Dame, die in eine Seniorenresidenz am Meer umziehen möchte. Bei der gemeinsamen Wohnungsbesichtigung mit der Tochter offenbart sich ein regelrechtes Horrorszenario dieser Residenz.
In der Erzählung Budenzauber ist ein kleiner Junge Protagonist. Seine Eltern lassen ihn zusammen mit dem jüngeren kranken Bruder allein in der Wohnung zurück, um sich zu amüsieren. Die Nöte und verzweifelten Anstrengungen des Jungen, den verhaltensauffälligen Bruder in Schach zu halten, lassen mitfiebern und mitfühlen.
Die sehr anrührende Geschichte Herr Dingens handelt von einem an Krebs erkrankten Mädchen, das bedeutend mehr Weitsicht und Stärke beweist als ihr Vater. Dieser Vater, ein Pfarrer, ist so sehr im Leid seines Kindes gefangen, dass es ihm nicht gelingt, Halt oder Trost zu finden.
In der letzten Geschichte Psalm und Asche lesen wir von jüdischen Menschen, ihrem Transport in den Tod im Güterwaggon und davon, wie später die Täter keinerlei Reue zeigen und nichts von all den Schrecken gewusst haben wollen.
In allen Erzählungen haben die Protagonisten mit einem Problem zu kämpfen. Wir lesen von schmerzlichen Erfahrungen jeglicher Couleur der Akteure. Dabei überraschen die Texte mit unerwarteten Wendungen. Zwischen den Zeilen gärt eine teils quälend empfundene, beängstigende Tiefe. Ist man am Ende einer Geschichte angekommen, hat man das Gefühl, einen ganzen Roman gelesen zu haben.
Dieser Autor macht es uns Lesern leicht, auch in Themen einzutauchen, die uns bislang vielleicht wenig bis gar nicht tangiert haben, denn er ist ein präziser, fesselnder, literarischer Erzähler, der bereichert.
Ralf Rothmann: Museum der Einsamkeit.
Suhrkamp, Mai 2025.
gebundene Ausgabe, 268 Seiten, 25,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.