Ralf Günthers Roman „Ein grenzenloser Sommer“ erzählt die Liebesgeschichte zwischen dem jungen DDR-Steward Ronni und der westdeutschen Jurastudentin Sabine im Sommer 1988 an Bord des Kreuzfahrtschiffs MS Arkona. Das ist das Schiff, auf dem einst die „Traumschiff“-Folgen aus der gleichnamigen ZDF-Serie gedreht wurden. Die Handlung ist im Spannungsfeld zwischen Ost und West, politischer Überwachung und persönlicher Freiheit angesiedelt und bietet damit einen Einblick in ein Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte.
Positive Aspekte:
- Authentische historische Atmosphäre: Der Roman überzeugt durch eine sorgfältige Recherche und eine glaubwürdige Darstellung der späten DDR. Die Beschreibung der MS Arkona als Mikrokosmos mit westdeutschen Gästen, ostdeutscher Besatzung und der allgegenwärtigen Stasi an Bord wirkt detailreich und lebendig. Kleine, humorvolle Anekdoten, die sich aus der Unkenntnis der handelnden Figuren des jeweils anderen Deutschlands ergeben, lockern die Geschichte auf.
- Zeitgeschichtlicher Mehrwert: Der Roman bietet einen Einblick in die Lebenswirklichkeit der späten DDR und die subtilen wie offenen Zwänge, denen junge Menschen ausgesetzt waren. Zugleich transportiert er universelle Fragen nach Freiheit, Identität und der Kraft der Liebe über politische Grenzen hinweg.
Negative Aspekte:
- Vorhersehbare Handlung: Die Grundkonstellation – verbotene Liebe zwischen Ost und West, Überwachung durch die Stasi, eine große Entscheidung am Ende – folgt bekannten Mustern und bietet wenig überraschende Wendungen.
- Begrenzte Figurenentwicklung: Trotz der emotionalen Grundierung bleiben die Nebenfiguren und teilweise auch die Protagonisten in ihren Rollen recht stereotyp. Die inneren Konflikte, vor allem von Ronni, könnten noch stärker und differenzierter ausgearbeitet sein, um mehr psychologische Tiefe zu erreichen. So bleibt der Roman stellenweise etwas seicht. Er eignet sich als Strandlektüre für den Sommer.
- Sprachlicher Stil: Günthers Stil ist eher zurückhaltend und sachlich. Wer eine poetische oder besonders originelle Sprache sucht, könnte den Roman als sprachlich unspektakulär empfinden.
- Fokus auf das Liebesdrama: Die politische und gesellschaftliche Dimension bleibt stellenweise Kulisse für die Liebesgeschichte. Leser, die eine tiefgreifende Analyse der DDR-Verhältnisse oder der deutsch-deutschen Beziehungen erwarten, könnten sich mehr Kontext und Reflexion wünschen.
Ralf Günther: Ein grenzenloser Sommer
Rowohlt, Juli 2025
304 Seiten, gebundene Ausgabe, 24 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.