Willkommen in einer Welt, in der Bücher alles, Wissen gefährlich und die Bibliothek ein despotischer Herrscher ist. Sind sie jetzt verwirrt – nun, eigentlich ist dies, wie im Übrigen fast alles, einfach, wenn man weiß, was dahinter steckt. Einst gründeten die Pharaonen die Bibliothek – ein Hort des Wissens, der ihnen zur Verfügung stehen, und ihre Macht sichern und vermehren sollte. Doch dann entschieden die Archivare der Bibliothek, dass das Wissen nicht nur dem Herrscher, sondern allen Menschen zugänglich sein sollte. Ein hehrer Vorsatz, der in den Jahrhunderten danach dazu führt, dass ein Jeder ein Blankobuch erhält, in das er alle zugänglichen Bücher der Bibliothek laden und lesen kann. Der private Besitz von papierenen Büchern ist dagegen streng verboten.
Haben sie im vorletzten Satz das Wörtchen „zugänglich“ bemerkt?
Nun ist ja auch einzusehen, dass gefährliche Bücher – etwa über das Herstellen von Sprengstoff oder der Auslösung von Seuchen – unter Verschluss gehalten werden. Inzwischen aber hat sich, wie so oft, eine eigentlich richtig gute Idee verselbstständigt.
Der Archivar, der de facto Herrscher der Welt, unterdrückt alle, die nach Freiheit streben, mit brutalen Mitteln. Das müssen vier ehemalige Rekruten der Bibliothek und ihre Ausbilder am eigenen Leib mehr als schmerzvoll erfahren.
Nachdem sie aus London geflohen, und nur knapp den Truppen des Archivars entkommen sind, finden sich Jess Brightwell und seine Mitstreiter in Philadelphia wieder, einer Stadt, die von den als Brandschatzer bekannten Rebellen regiert wird.
Die Brandschatzer, die sie für Agenten der Großen Bibliothek halten, nehmen Jess und seine Gruppe gefangen und drohen, sie alle zu töten, wenn Thomas, unser geniale Erfinder der Gruppe, nicht zustimmt, den Rebellen eine funktionierende Druckerpresse zu bauen.
Es kommt zu einem Deal, um unserem Protagonisten Zeit zu verschaffen, damit er herausfinden kann, wie er seine Freunde retten kann, aber angesichts des Chaos, das über die Stadt hereinbricht, weiß Jess, dass sie nicht in Amerika bleiben können und schnell den Weg zurück über den Ozean finden müssen, um weitere Verbündete zu suchen …
Die 2020 viel zu früh verstorbene Rachel Caine hat mit ihrer fünfteiligen Reihe um die magische Bibliothek Neuland betreten.
Statt, wie wir dies aus ihren anderen Büchern gewohnt waren, im phantastisch aufgepeppten Hier und Jetzt auf Urban-Fantasy-Wegen zu reisen, verlegt sie ihre Handlung in einer Parallelwelt des Jahre 2025. Und dort greift sie wichtige Themen auf – da geht es um Freiheit, um Gleichberechtigung, um den Kampf gegen Despoten, aber auch um Kameradschaft und Vertrauen. Ein klein wenig Romantik fließt am Rande recht dosiert auch mit ein, ansonsten konzentriert sich die Verfasserin auf ihren Plot. Hier wechseln sich rasante Jagden und Kämpfe mit eher ruhigen Passagen ab, in denen der Hintergrund weiter ausgeführt wird und sich unser Bild des Ist-Zustands der Machtpyramide verfestigt.
Caine nutzt diesen Band – ursprünglich als Abschluss der Trilogie geplant, die dann zu einer 5-teiligen Reihe ausgebaut wurde –, um ihre Charaktere weiterzuentwickeln. Wir erfahren mehr über deren Hintergrund, ihre Herkunft und die Kultur, aus der sie stammen und die sie prägt. Diese Darstellungen nehmen Raum ein, Platz, der dafür bei den temporeichen Szenen ein klein wenig fehlt.
Das soll heißen, dass es vorliegend etwas geruhsamer zugeht, als in den ersten beiden Teilen. Die Beziehungen untereinander, der Hintergrund rückt weiter ins Zentrum des Bandes, wobei deutlich wird, dass der Roman die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Archivar nicht zufriedenstellend hätte abschließen können. Kein Wunder, dass Caine dann entschieden hat, lieber die Handlung in sich sauber und nachvollziehbar in zwei weiteren Bänden zu einem befriedigenden Ende zu bringen, als hier den Plot übers Knie zu brechen.
Erneut hat der Verlag keine Mühe gescheut, das Buch aus dem Gewohnten hervorzuheben. Das wunderbar passende, geprägte Cover, Hardcoverbindung, dazu Rundum-Motivfarbschnitt, das weckt das Interesse in den Buchhandlungen. Natürlich endet das Buch wieder mit einem dramatischen Finale und einem fiesen Cliffhanger – nur ist meines Wissens im Verlag immer noch nicht entschieden, ob die weiteren beiden Bände noch kommen werden. Hoffen wir das Beste.
Rachel Caine: Asche und Feder – Die magische Bibliothek, Band 3
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Beate Brammertz
Heyne, August 2024
461 Seiten, gebundene Ausgabe, Euro 18,00
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.