Laura Gehler wird entführt. Mitten in einer Winternacht, als sie wie immer mit ihrem Trekkingrad unterwegs ist. Sie findet sich wieder in einem gläsernen Käfig, ausgestattet wie ein Zimmer für ein junges Mädchen. Ihr Entführer spricht mit verzerrter Stimme mit ihr, gibt ihr Rätsel zu lösen. Wenn es ihr gelingt, soll sie frei sein. Wenn nicht, wird sie an einem vom Entführer bestimmten Datum sterben. Gleichzeitig bekommt Lauras Mutter, eine bekannte und einflussreiche Kommunalpolitikerin eine makabre Botschaft – eine Barbiepuppe mit dem Sterbedatum ihrer Tochter. Ermittler Lukas Johannsen wird durch die Puppe an einen lange zurückliegenden Fall erinnert, der nie aufgeklärt werden konnte.
Hat der „Puppenmörder“ wieder zugeschlagen? Es beginnt ein irrer Wettlauf gegen die Zeit. Der Entführer spielt mit den Ermittlern. Sowohl in Bayern, wo Laura früher gelebt hat als auch in Thüringen, wo sie entführt worden ist. Die Hinweise führen zunächst in die falsche Richtung, wertvolle Zeit wird vertan. Auch Laura selbst kommt mit den Tipps und Hinweisen, die der Entführer ihr gibt, nicht wirklich hinter das Rätsel ihrer Entführung. Und bis man als Leser die beiden Stränge zusammenbekommt, die da parallel laufen, ist man auch schon fast am Ende dieses spannenden, gut geschriebenen Thrillers angelangt.
Kein Kind von Traurigkeit
Gute Charaktere: Laura, die behütete Tochter, die in ihrer Jugend kein Kind von Traurigkeit gewesen ist und durchaus den ein oder anderen ins Unglück gestürzt hat, ihre ambitionierte Mutter mit ihren Beziehungen und ihrem Netzwerk, die Laura immer wieder „rausgehauen“ hat und all ihre Untaten sozusagen ungeschehen machen konnte. Was ist ihre Rolle bei der Entführung? Was ist passiert, als Laura noch Schülerin war, das heute gerächt werden soll? Ein sympathischer, etwas unkonventioneller Ermittler mit einer Vorliebe für alles Japanische – Essen, Kampftechniken, Atemtechniken, Kaugummi -, einem „Denkzimmer“ in einer alten Scheune mit Strohballen und den relevanten Fallfotos und -details an der Wand und der ewigen Trauer um eine viel zu kurze Beziehung zu einer Kollegin, mit der er aber nach wie vor prima zusammenarbeitet und die ihn auch jetzt wieder unterstützt. Nur in Nebensätzen wird Privates preisgegeben, zwischen den Zeilen lernen wir auch die handelnden Personen besser kennen.
Ein Fall, der nicht einfach nur eine Entführung ist, sondern sich als äußerst vielschichtig herausstellt, interessante Wendungen und mit einer Hintergrundgeschichte, die nicht gleich ersichtlich ist, aber ungeheuer wichtig. Wie so Vieles in diesem Thriller, erschließt sich auch der Titel erst am Ende der Geschichte. Fesselnd, erschütternd, nüchtern und mit dramatischem Ende.
Quentin Peck: Minus 22 Grad
Blanvalet, Dezember 2024
368 Seiten, Paperback, 16,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.