Bundesligafreie Zeiten hinterlassen bei Ihnen ein Gefühl der Depression? Ihr Liebes- und Arbeitsleben leidet unter dem durchgetakteten Zeitplan von Heim- und Auswärtsspielen? Das Party-Gedöns der EM und WM bietet Ihnen keinerlei Ersatzbefriedigung? Dann gehören Sie zu jenen Hardcore-Bundesligafans, die dringend dieses Ratgebers bedürfen!
Philipp Markhardt, der seine Fußballsucht erfolgreich überwunden hat, liefert in seinem ironischen Ratgeber Lösungsansätze, wie man(n) ohne Bundesliga überleben kann. Ob zur Überbrückung der spielfreien Sommer- und Winterpause oder zum langfristigen Ausstieg.
Der Ratgeber beginnt damit, sich die eigene Sucht einzugestehen. Wer mit Ü30 noch in Bettwäsche mit Vereinslogo pennt oder schon mehrere Abmahnungen seitens des Chefs erhalten hat, weil er trotz Krankmeldung in der Stadionfankurve gesichtet wurde, sollte sich seiner Sucht dringend annehmen. Dieses wird vom Autor trefflich mit dem Kapitel „Wie bescheuert muss man eigentlich sein?“ zusammengefasst, auch im Hinblick auf die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs. Der Autor unterteilt die Süchtigen in verschiedene Gruppen (z. B. Herdentier, Groupie, Addict) und zeigt, wie sich Rückfälle vermeiden lassen. Da Fußball omnipräsent anzutreffen ist, fallen diese Maßnahmen mitunter drastisch aus. Dazu gehört das Löschen aller Fernsehsender bis auf ARTE, 3Sat und Comedy Central sowie das Verbot der Liebingskneipe (stattdessen empfehlen sich neutrale Gastronomien wie der Asiate).
Im Anschluss wartet der Ratgeber mit einer Fülle teils nicht ganz ernst gemeinter, alternativer Freizeitbeschäftigungen auf: Vom eigenen Schrebergarten (Baumarktschweiß statt Stadionschweiß) über ehrenamtliche Tätigkeiten im Bereich Tierschutz bis zu Sportarten wie Surfen, Rugby und Minigolf. Warum nicht kreative Talente wie die Fotografie ausleben, diese in einem Blogg dokumentieren und nebenbei Geld verdienen? Mit Reisen weiß sich der Süchtige stets auf der sicheren Seite. Motto: Aus der Reichweite, aus dem Sinn.
Der Autor beschreibt auch sinnvolle Wege, um sich mit Fußball auseinanderzusetzen. Groundhopping zu den abgelegensten Stadien der Welt kann jede Menge Nervenkitzel bieten, während Jugendtrainer und Schiedsrichter beim örtlichen Sportverein dringend gesucht werden. Warum nicht dem Aus- und Werteverkauf der Bundesliga die Stirn bieten und einen eigenen Fußballverein gründen? Wie das geht, wird Schritt für Schritt von der Satzung bis zu Sponsoren gezeigt.
Der locker-flockige Ton des Hamburger Autors, der selbst 19 Jahre Mitglied beim HSV war, weiß prächtig zu unterhalten, wenngleich die Fähigkeit zur Selbstironie ein unbedingtes Kriterium für die Lektüre dieses Buches darstellt. Abgerundet wird der Ratgeber durch Illustrationen von Jana Moskito. Für Angehörige eines Fußballjunkies ist der Lesegenuss vielleicht sogar noch größer und eignet sich wunderbar zum Verschenken – als kleiner Wink mit dem Zaunpfahl…
Philipp Markhardt: How to Survive ohne Fußball.
Schwarzkopf & Schwarzkopf, Juni 2016.
208 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.