Bis auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2013 hat es der zweite Roman eines Mannes geschafft, der bisher vor allem als deutsch-polnischer Übersetzer bekannt ist und als solcher 2005 sogar mit einem einschlägigen Preis ausgezeichnet worden ist: Olaf Kühl.
„Der wahre Sohn“ heißt sein neues Buch. Es handelt von einem Mann namens Konrad, der sich in den 90er-Jahren für eine deutsche Versicherung in Kiew auf die Suche nach einem gestohlenen Mercedes 500 SE macht. Schon bald muss er jedoch feststellen, dass der Halter des Wagens kürzlich gestorben ist. Konrad hält sich bei seinen weiteren Nachforschungen an die weit über 80-jährige Witwe und lernt auch schnell ihren Sohn Arkadij kennen, der in einer psychiatrischen Anstalt lebt. Immer mehr verbeißt sich Konrad in die Familiengeschichte der beiden und fördert dabei ein Detail nach dem anderen zu Tage. Der geklaute Mercedes wird mehr und mehr zur Nebensache.
Man fragt sich beim Lesen ein wenig, warum genau sich Konrad eigentlich so sehr für die Vergangenheit der Seniorin und ihrer Familie interessiert. Es gelingt dem 1955 geborenen Autor nur begrenzt, die Beweggründe seines Helden dafür glaubhaft zu machen. Auch bleibt „Der wahre Sohn“ eine seltsame Mischung aus Krimi und Familiendrama, so als könne sich Kühl nicht recht entscheiden, wohin sein Text denn nun tendieren soll: für einen Krimi einen Tick zu lahm, für ein Familiendrama ein bisschen zu oberflächlich.
Der Rowohlt-Verlag teilt mit, dass Olaf Kühl, der Slawistik und Osteuropäische Geschichte studiert hat, sich monatelang in einer Plattenbausiedlung in Kiew einquartiert hat, um für diesen Roman zu recherchieren und die Atmosphäre einzufangen. Von dieser Vorarbeit merkt man aber im Buch nur recht wenig: „Der wahre Sohn“ könnte überall spielen, ein besonderes ukrainisches Flair ist kaum zu erkennen. Letztlich nicht hundertprozentig überzeugend.
Olaf Kühl: Der wahre Sohn.
Rowohlt, August 2013.
480 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.