Odile d’Oultremont: Das Mädchen mit den meerblauen Augen

Was mich bewegt hat, dieses Buch zu lesen, war meine Liebe zur Bretagne. Denn dort spielt die Geschichte, die Odile d’Oultremont, eine belgische Schriftstellerin und Drehbuchautorin, erzählt.

Die Protagonistin Anka, wächst in einer kleinen Stadt am Atlantik auf. Ihr Vater ist Küstenfischer und Ankas größter Wunsch von Kindesbeinen an ist es, in seine Fußstapfen zu treten. Bei allem Verständnis ihres Vaters für diesen Wunsch und seiner Freude darüber haben er und seine Kollegen große Vorbehalte gegen ein Mädchen bzw. eine Frau in diesem Beruf. Es dauert sehr lange, bis Ankas Vater, Vladimir, sie zum ersten Mal ans Steuerruder seines Bootes Baikonour lässt.

Doch dann geschieht ein Unglück und Vladimir kehrt von einer Ausfahrt nicht zurück. Nur das Boot wird gefunden. Ankas Liebe zum Meer wandelt sich in Hass, in Hass und Furcht. Im Gegensatz zu ihrer Mutter glaubt sie nicht, dass ihr Vater überlebt hat und zurückkommen wird. Ihre Mutter Edith hingegen ist davon überzeugt, dass ihr Mann eines Tages wieder vor der Tür stehen wird. Bis dahin kocht sie wie eine Besessene Tag für Tag unzählige Liter Gemüsesuppe.

Anka, die im Friseursalon ihrer Patentante arbeitet, wird jeden Tag auf ihrem Weg über die Grande Place des Städtchens von Marcus beobachtet. Marcus ist Kranführer aus Leidenschaft und von seinem erhöhten Standpunkt verfolgt er täglich Ankas Schritte. Im Laufe der Zeit verliebt er sich in das ihm unbekannte Mädchen mit den meerblauen Augen, ohne sie jedoch anzusprechen und ohne, dass sie sich dessen bewusst ist.

Als Marcus bei einem Unfall schwer verletzt wird und ins Koma fällt, begegnet Anka ihm zum ersten Mal. Sie besucht ihn, ohne dass er davon etwas mitbekommt, regelmäßig im Krankenhaus. Im Laufe der Zeit findet sie auch ihre Liebe zum Meer wieder und ihren Traum, mit dem Boot ihres Vaters hinauszufahren.

Mich hat dieser Roman ein wenig verwirrt zurückgelassen. Der Stil der Autorin ist eigentümlich, dabei aber durchaus interessant. Immer schwingt ein Augenzwinkern, ein liebevolles Lächeln mit, als empfinde der (unbekannte) Erzähler der Geschichte große Sympathie und viel Verstädnis für die Figuren und ihr teilweise wirklich sehr ungewöhnliches Handeln. Mir sind im Laufe der Lektüre die Nebenfiguren, allen voran Edith, Ankas Mutter und Bernard, der Vater von Marcus, besonders ans Herz gewachsen, sind sie doch detaillierter und tiefgründiger gezeichnet als die beiden jungen Menschen, auch waren ihre Reaktionen auf die Geschehnisse und ihr Gefühlsleben eher nachzuvollziehen.

Alles in allem ist der Roman ungewöhnlich, manchmal überraschend und auf jeden Fall nicht langweilig.

Odile d’Oultremont: Das Mädchen mit den meerblauen Augen.
List, Juli 2020.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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