Nina Blazon: Ich träumte von einer Bestie

Fleur hat wenig Vertrauen in Menschen. Jedes Date wird intensiv nicht nur gegoogelt, sondern das Internet inklusive Darknet wird nach Informationen durchsucht. Sie findet alles. Sie selbst vermeidet es tunlichst, irgendwo als Foto oder gar als Name aufzutauchen. Denn gerade sie weiß: Das Internet vergisst nicht. Das ist ihr Beruf: Das Internet zu durchforsten, Passwörter zu finden, Zugänge von Verstorbenen zu löschen, unliebsame Informationen zu finden und zu eliminieren.

Fleurs leiblicher Vater stirbt in Frankreich. Außer wirklich schlechten Erinnerungen hat er ihr auch ein Haus und einen seit Generationen andauernden Kampf um ein Erbe hinterlassen. Sie macht sich auf den Weg, ihre Vergangenheit zu erkunden und vielleicht endlich damit abschließen zu können.

Im Verlauf des Romans erfahren wir nach und nach mehr über Fleurs Vergangenheit, warum ihre Mutter damals aus ihrer ersten Ehe gemeinsam mit dem Kind floh, und auch, warum ihre Großmutter sie so sehr hasste. Ihr weg führt sie tief ins ländliche Frankreich, in Dörfer, in denen der Werwolf ebenso zum Glauben wie zur Touristenattraktion gehört. Und sie nimmt uns mit weit in die Vergangenheit, als Glaube und Aberglaube in Frankreich noch verbreitet waren und Menschen allein wegen ihres Aussehens verdächtig waren. Die Liebe hatte es damals schwer.

In diesem Roman geht es um vieles. Es geht um uralte und neue Traumata, um Familien, die oberflächlich glücklich sind, aber einander mehr verschweigen als gut für sie ist. Es geht um Legenden und Märchen, die mehr wahren Kern enthalten als man glauben mag, und es geht um die Liebe. Um die Liebe, vor der man sich fürchtet, um die Liebe, die einen plötzlich überfällt, um die Liebe, die man nicht wahrhaben will und um die Liebe, die nicht sein darf.

Mir hat der Roman von Nina Blazon sehr gut gefallen, insbesondere mochte ich die Teile, in denen sie die Vergangenheit nach und nach aufgeklärt hat. Die Autorin versteht es sehr gut, Kopfkino zu erzeugen, so wandert man mit Fleur durch Altstädte und über Bergwiesen. Man taucht förmlich ein in andere Zeiten und andere Glaubensvoraussetzungen. Auch Fleurs fiese Großmutter stand mir sehr plastisch vor Augen. Insgesamt also ein Lesevergnügen, über eine französische Legende mit wahrem Hintergrund. Es gibt unzählige Erklärversuche für die Legende über Werwölfe, insbesondere in Frankreich. Nina Blazon hat eine davon gelungen aufgearbeitet.

Nina Blazon: Ich träumte von einer Bestie
HarperCollins, September 2023
448 Seiten, gebundenes Buch, 22 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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