Nick Drnaso: Acting Class

Eine Gruppe von unterschiedlichen Personen treffen sich in einem Schauspielkurs für Anfänger. Alle erhoffen sich, persönliche Defizite zu überwinden, Ängste zu verlieren oder einfach nur einen Neustart. Bei ihrem Kursleiter John lernen sie unter anderem, Rollenspiele und probieren verschiedene Perspektiven aus, bis sich die ersten Teilnehmer in ihren Rollen verlieren und nicht mehr so genau wissen, was ihre Rolle ist und was nicht.

Wer sich auf Graphic Novels einlässt, dürfte sehr schnell etwaige Vorstellungen, die aus der Lektüre von Comics entstanden sein könnten, bei Seite legen und überrascht werden.

Nick Drnaso schickt seine Leserschaft auf eine bunte Reise, in der ausgearbeitete Bilder und eine klare ehrliche Sprache das Gerüst sind. Alles zusammen präsentiert er mit so wenig Schnörkeln wie möglich, um der  Botschaft die volle Wucht zu verleihen. Überraschende Wendungen, Situationskomik und tragische Verwicklungen gehen in seinem Buch Hand in Hand. Man könnte seine Erzählweise im weitesten Sinn mit einem Episodenfilm vergleichen, der in Standbildern und mit Dialogen unterschiedliche Personen zeigt. Die Kursteilnehmer sind nicht immer eindeutig männlich oder weiblich, denn hier steht der Charakter im Vordergrund. Dabei schafft es der Autor, das Gleichgewicht zwischen so viel Information wie nötig und so wenig Information wie möglich zu halten, so dass die Fantasie und Erfahrungswerte der Betrachter den Spielraum für eigene Interpretationen erhalten.

Recht schnell wird bei der Lektüre deutlich, auf welch hohem Können Nick Drnaso arbeitet. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung beschreibt er seine Vorgehensweise: Er recherchiere gründlich und fotografiere viel. Beim Betrachten seiner Fotosammlung stelle er sich die Frage, wie weit er reduzieren will, damit die Geschichte noch einen Flow hat. Seine Vorgehensweise habe weniger mit Kunst, sondern eher etwas mit Logik zu tun. Trotz allem lasse er bei seiner Arbeit Zweifel zu. Das Endergebnis des jungen Amerikaners beeindruckt so oder so. Er schafft es, aktuelle Themen so reduziert darzustellen, dass ihr nacktes Gerüst keine Lügen mehr zulässt.

Wer sich dem Künstler und Menschen Nick Drnaso annähert, dürfte von seinem Erfolg beeindruckt sein. Er gehört zu den Künstlern, die das Feld der Literatur und Bücherwelt neu bestellen. Der Amerikaner hat bereits 2016 und 2018 so erfolgreich Bücher veröffentlicht, dass sie nicht nur in 16 verschiedenen Sprachen veröffentlicht worden sind. Sein Debüt Beverly erhielt den Preis des besten Graphic Novel, während sein zweites Buch Sabrina für den Booker Prize nominiert wurde.

Bestsellerautorin Karen Köhler und Daniel Beskos übersetzen seine Werke.

Nick Drnaso: Acting Class.
Aus dem Englischen übersetzt von Karen Köhler & Daniel Beskos .
Blumenbar, August 2022.
268 Seiten, Gebundene Ausgabe, 28,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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