Anne Stern: Fräulein Gold: Die Rote Insel: Die Hebamme von Berlin 05

1926 ist für Hulda Gold ein Jahr des Umbruchs: Sie muss kündigen, damit ihre Vermieterin nicht Gefahr läuft, wegen Kuppelei angezeigt und bestraft zu werden, und sie muss ihre Stelle als leitende Hebamme im Krankenhaus kündigen. Hulda befindet sich in einer Situation, vor der sie am meisten Angst hatte. Sie ist ein gefallenes Mädchen, eine schwangere, ledige Frau, die für ihren sichtbaren Zustand bestraft wird.

Zum Glück ist sie mit der kommunistischen Ärztin Grete befreundet, die illegal Schwangeren aus ihrer Not hilft. Auch Hulda brauchte in früheren Jahren ihre Hilfe. Doch heute will sie ihr Kind behalten. Aus diesem Grund vermittelt Grete Hulda in der Nähe ihrer Praxis ein kleines, verschimmeltes Kellerzimmer, in dem sie wohnen darf und beschäftigt sie als Arzthelferin. Irgendwann im Juni wird ihr Baby zur Welt kommen. Was danach aus Hulda und ihrem Kind werden soll, steht in den Sternen.
Auf der schäbigen Seite von Berlin Schöneberg, der roten Insel, leben traditionell die Armen eng aufeinander in heruntergekommenen Häusern und glauben wie Grete an eine bessere Zukunft durch den Kommunismus. Immer mehr lässt sich Grete in politische Kämpfe gegen die Nazis hineinziehen. Diese eskalieren, als ein Freund von ihr erschlagen wird. Automatisch wird nun auch Hulda eine Beteiligte, ob sie will oder nicht.

Anne Stern hat in den letzten Jahren eine unterhaltsame und informative Serie um die mutige Hulda Gold erschaffen, bei der es häufig turbulente Lebensabschnitte gibt. Die Autorin schreibt in ihrer Danksagung, sie habe auf der roten Insel gewohnt und gewusst, dass ihre Hulda auch dort mal leben sollte. Dort findet Huldas sozialer Absturz statt und zeigt, wie schwierig das Leben lediger Frauen vor hundert Jahren war. Manches hat sich bis heute nicht geändert, zum Beispiel wenn Frauen und deren Kinder aufgrund ihres geringen Einkommens an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden, wo ein Leben ohne Zukunft auf sie wartet.

Huldas Kampf als Hebamme dient den Schwächsten der Gesellschaft, um ihnen bereits bei der Geburt einen guten Start ins Leben zu bieten. Wer der sympathischen Hebamme folgt, erfährt viel über das damalige quirlige Berlin, die politischen Kämpfe und wie die Nationalsozialisten systematisch gefördert wurden.
Anne Stern gelingt auch in ihrem fünften Band eine kurzweilige, mitreißende Lektüre, von der man am Ende gern mehr lesen möchte. Auf den nächsten Band muss man leider noch bis Oktober 2023 warten. Schade eigentlich, aber Qualität braucht bekanntlich Zeit zum Reifen.
Anne Stern, vielen Dank für die gelungene Serie mit Hulda Gold.

Anne Stern: Fräulein Gold: Die Rote Insel: Die Hebamme von Berlin 05.
Rowohlt, November 2022.
432 Seiten, Taschenbuch, 17,00 €.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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