Michael Cunningham: Ein Tag im April

Der US-amerikanische Schriftsteller und Pulitzerpreisträger Michael Cunningham (Jahrgang 1952) hat einen neuen Roman geschrieben. Der Luchterhand Literaturverlag gab am 1. Mai 2025 die deutsche Ausgabe unter dem Titel „Ein Tag im April“ heraus. Die Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch übernahm Eva Bonné.

Eine Generation der Unschlüssigen und Unzufriedenen

Der Roman heißt im Original „Day“ und spielt am jeweils 5. April der Jahre 2019, 2020 und 2021.

Am 5. April 2019 (morgens) leben Isabel Walker, Dan Byrne, Robbie Walker und die Kinder Nathan und Violet in einem Haus in Brooklyn, NYC. Isabel arbeitet für ein Hochglanzmagazin und ist dort für die Fotostrecken verantwortlich. Dan, Isabels Ehemann, betreut Haushalt und Kinder. Er träumt von einem Comeback als Rocksänger. Robbie, Isabels homosexueller Bruder, ist Lehrer und wohnt im Dachgeschoss. Robbie ist im Internet mit seinem Liebhaber Wolfe unterwegs. Mit geklauten und bearbeiteten Fotos generiert er Follower für Wolfes fiktives Leben. Isabel unterstützt ihn dabei kreativ. Nathan und Violet, zehn und fünf Jahre alt, teilen sich ein Zimmer. Violet ist träumerisch, versponnen, glaubt, dass sie eine übersinnliche Gabe besitzt. Nathan ist ein unsicherer Junge an der Schwelle zur Pubertät. Beide lieben ihren Onkel Robbie.

In die Ehe von Isabel und Dan hat sich der Alltag geschlichen. Beide sind Anfang vierzig und passiv unzufrieden. Beide träumen von einem anderen Leben. Robbie soll aus der Dachkammer ausziehen, damit Nathan ein eigenes Zimmer bekommt.

Dans Bruder Garth Byrne, ein erfolgloser bildender Künstler, hat einen Sohn mit Chess Mullins, einer Professorin für Literatur. Chess möchte ihren Sohn Odin allein erziehen und Garth weiß nicht, wie er die Vaterrolle ausüben soll.

Dann kommt Corona, am 5. April 2020 (nachmittags) sind alle in ihren Wohnungen eingesperrt. Isabel und Dan leben weiter unglücklich nebeneinander her. Die Kinder entwickeln Ansteckungs- und Todesängste. Die sozialen Kontakte kommen zum Erliegen. Robbie befindet sich auf Island in einer Blockhütte, postet Storys auf Instagram über Wolfe und schreibt Briefe an die Walkers. Chess erlaubt Garth Odin am Fenster zu sehen.

Am Abend des 5. April 2021 ist die Pandemie fast überwunden. Aber einer hat sie nicht überlebt. Die Familie muss sich einer neuen Wirklichkeit stellen.

„Ein Tag im April“ von Michael Cunningham ist kein Pandemie-Roman, aber auch keine faszinierende Familiengeschichte der Gegenwart

Michael Cunninghams „Ein Tag im April“ ist ein Porträt über die heute Mitte dreißig bis Mitte vierzig Jährigen. Aber was soll das für eine Generation sein, wenn man Cunninghams Beschreibungen liest? Alle stecken vermeintlich im falschen Leben fest. Alle möchten eigentlich etwas anderes. Am besten aber erfolgreich, berühmt und reich sein. Doch anstatt das eigene Leben in die Hand zu nehmen, flüchten sie in Träume, laufen ihren Wünschen hinterher und machen ihre Partner bzw. Partnerinnen dafür verantwortlich. Mit Kindern leben und Geld verdienen müssen, ist doch nicht so cool, wie gedacht:

„Er hat seine Band aufgelöst und nie wieder einen Song geschrieben … Er hat sich bemüht, ein umgänglicher, genügsamer Mensch zu sein, der Säuglingsnahrung anrührt, erst für Nathan und dann für Violet; der die Kinder wickelt und die Wäsche macht; der die müde, ausgelaugte Isabel abends mit Essen empfängt …“ (S. 131)

Das Bild, das Cunningham von seinen Protagonisten zeichnet, ist kein hoffnungsvolles und bestärkt vielleicht auch das ein oder andere Vorurteil gegenüber dieser Generation von Frauen und Männern.

Beim Lesen des Romans entstand bei mir eher Mitleid und Distanz mit diesen lebens- und realitätsfernen, zutiefst unentschlossenen Figuren. Und auch der Paukenschlag im dritten und letzten Kapitel des Buches verfehlt seine Wirkung und verpufft, weil die Figuren weiter selbstmitleidig um sich selbst kreisen.

Cunninghams Sprache und Stil dagegen sind überzeugend.

Die Romanidee aber trägt nicht. „Ein Tag im April“ von Michael Cunningham ist kein Pandemie-Roman, aber auch keine faszinierende Familiengeschichte der Gegenwart. Schade!

Michael Cunningham: Ein Tag im April.
Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Bonné.
Luchterhand Literaturverlag, 1. Mai 2025.
352 Seiten, Hardcover, 24,- Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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