Marcel Feige: Kalte Haut

hautDer Sohn des Berliner Innensenators, ein bekannter Discjockey, wird entführt. Der Entführer spielt der Journalistin Tania Herzberg ein Video zu, das den jungen Mann nackt und auf einen Tisch gefesselt zeigt. Nur wenige Stunden später lockt der Entführer die Journalistin in ein altes Fabrikgebäude, in dem sie die gehäutete Leiche des jungen Mannes findet.

Zunächst hält Kommissarin Sera Muth die Tat für eine Reaktion auf die Hetzkampagnen des Innensenators gegen die ausländischen Bewohner Berlins, die die Atmosphäre in der Stadt seit Wochen vergiften. Sie verdächtigt ihren Onkel Mergim, den Vorsitzenden eines muslimischen Kulturvereins, in die Tat verwickelt zu sein. Doch als ein neues Video auf dem Rechner von Tania Herzberg auftaucht und die Journalistin wieder zum Fundort der Leiche gelockt wird, keimt in Sera Muth der Verdacht, dass es sich um einen Serienmörder handeln könnte.

Sera und ihr Ermittlungsteam ziehen den Kriminalpsychologen Robert Babic hinzu, der an der FBI-Akademie in Quantico eine mehrjährige Ausbildung zum Profiler absolviert hat und der erst vor wenigen Tagen aus den USA in seine Heimatstadt Berlin zurückgekehrt ist. Kurz vor seiner Rückkehr half Babic dem FBI bei der Ergreifung eines Serienmörders, der seinen Opfern die Haut bis auf die Knochen abzog und von der amerikanischen Presse der „Knochenmann“ getauft wurde. Babic erkennt erschreckende Parallelen zu den Taten in Berlin. Hat das FBI einen Unschuldigen verhaftet? Oder handelt es sich um einen Nachahmungstäter, der über beträchtliches Insiderwissen verfügt?

Für einen Thriller um einen Serienkiller ist „Kalte Haut“ erstaunlich unblutig und kommt ohne explizite Schilderungen von Gewaltakten aus. Marcel Feige erspart dem Leser ausführliche Beschreibungen, wie die Opfer zu Tode gefoltert und nach ihrem Ableben enthäutet werden. Seine Spannung bezieht der Roman aus den sorgfältigen Charakterzeichnungen seiner Protagonisten und dem Geflecht aus Beziehungen, in das sie verstrickt sind.

Die Kommissarin Sera Muth fühlt sich hin und hergerissen zwischen den muslimischen Traditionen, auf deren Einhaltung besonders die männlichen Mitglieder ihrer Familie bestehen, und ihrer westlichen Lebensweise. Ihren verheirateten Liebhaber muss sie ihrer Familie ebenso verschweigen wie ihre Ambitionen, beruflich Karriere machen zu wollen und auf Ehemann und Kinder zu verzichten. Der Fallanalytiker Robert Babic findet sich nach jahrelanger Abwesenheit in Berlin nur schwer zurecht. Das ungeklärte Verhältnis zu seinem Bruder Max, einem Geiger im Berliner Symphonieorchester, und zu seiner ehemaligen Verlobten Bo belastet zunehmend seine Mitarbeit an dem schwierigen Fall. Die Journalistin Tania Herzberg wird von ihrem Ehemann verfolgt, der nicht akzeptieren will, dass seine Noch-Ehefrau bereits mit einem anderen Mann zusammenlebt.

Der Plot ist clever konstruiert und wartet mit überraschenden Wendungen auf. Dem Autor gelingt es, die Spannung bis zum dem Finale mit Knalleffekt auf hohem Niveau zu halten. Die Figuren sind psychologisch stimmig ausgearbeitet und ziehen den Leser schnell in ihren Bann.

Fazit: Ein Highlight im jährlichen Wust der Serienmörderthriller. Und das von einem deutschen Autor. Hut ab!

Marcel Feige: Kalte Haut.
Goldmann, Februar 2012.
448 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martina Sprenger.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.