Lukas Maisel: Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete

Über das, was in der Nacht des 26. September 1983 geschah, durfte Stanislaw Petrow nie sprechen. Später haben andere geredet, und es gab Berichte hierüber. Letztendlich hat nur einer den Preis dafür gezahlt, dass es nicht zu einem dritten Weltkrieg gekommen ist. Seit diesem Tag sterben die Menschen nach wie vor aus anderen Gründen, aber nicht durch eine Atombombe.

„Manche Menschen streben nach Macht. Sie wollen Millionen ihren Willen unterwerfen und Geschichte schreiben. Andere Menschen … tun Tag für Tag gewissenhaft ihre Arbeit – und finden sich in einer Situation wieder, in der sie über die Zukunft der Menschheit entscheiden müssen.“ (S. 10)

Der in Zürich geborene Autor Lukas Maisel kam über Umwege zum Schreiben. Die Macht des Wortes erfuhr er jedoch schon viel früher, als er eine Lehre zum Drucker absolvierte. Danach studierte er Literatur, und seit 2020 darf man seine Romane lesen, die mit Preisen ausgezeichnet worden sind. Die kurze Form scheint ihm zu liegen. Denn nach seiner Novelle Tanners Erde veröffentlichte er in diesem Jahr eine Erzählung, die es in jeder Hinsicht in sich hat.

Wir lernen einen willensstarken, verantwortungsbewussten Oberstleutnant in einer Kommandozentrale kennen, der auf einer geheimen Militärbasis leben und arbeiten muss. Dies gilt auch für seine Frau und Kinder. Stanislaw Petrow ist ein Mann, der liebt. Er liebt seine Familie, und er liebt die Region Kamatschka mit seinen schneebedeckten Vulkanen und Birkenwäldern.

„Er wusste, wie schwerwiegend seine Entscheidung war: Wenn er einen Fehler machte, dann konnte diesen Fehler niemand korrigieren.“ (S. 68)

Die Folgen seiner Handlung waren ihm bekannt. In Militärkreisen kursierte ein Witz, der in Petrows Sinn haften geblieben sein dürfte. Es ging hierbei um die atomare Bombardierung seines Landes. Jeder sei angehalten, mit einem Laken bekleidet, den nächsten Friedhof aufzusuchen. Am besten so ruhig wie möglich, damit keine Panik ausbricht.

Lukas Maisels ruhige und präzise Sprache macht Spaß. Sie lenkt weder mit Schnörkeln vom Inhalt ab oder betont sie etwas über. Sie konzentriert sich auf das Wesentliche. Dies macht der Autor so eindrucksvoll, dass seine Sätze kraftvoll und prägnant sind. Bei der kurzweiligen Lektüre wünscht man sich, es gäbe an allen wichtigen Schnittstellen Menschen wie Stanislaw Petrow.

Lukas Maisel: Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete
Rowohlt Buchverlag, Februar 2025
125 Seiten, gebundene Ausgabe, 23,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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