Ein Buch um Trauer, Schuld und Zweifel, um Freundschaft und Nähe und um Fremdheit, ein Roman über Menschen, die verzweifelt um ihre Träume kämpfen.
Es ist fast so etwas wie eine großräumige WG, in der sie leben. Sophie und Thies in dem einen Haus und direkt daneben Inga und Bodo mit ihren Kindern Jella und Lasse. Schon lange sind die Vier eng befreundet und wohnen nun nah beieinander, teilen Grundstück und Windrad, Scheune und Garten, Vergangenheit und Erinnerungen.
Doch werden sie auch eine gemeinsame Zukunft haben? Aaron, der Sohn von Sophie und Thies ist vor etwas mehr als einem Jahr ums Leben gekommen, ertrunken in der Elbe. Sophie, die schon immer Inga um ihre heile Familie beneidete, kann die Anwesenheit der Freundin und den Anblick der nachbarlichen Idylle kaum ertragen, zieht sich immer mehr von den Freunden zurück. Und auch mit ihrem Mann kann sie über das Vergangene kaum sprechen. Thies hingegen, ein seit Aarons Tod berufsunfähiger Lehrer, findet keine Ruhe, streift durch die Umgebung.
Eines Tages taucht in der Gegend eine Unbekannte auf, gutaussehend, ungewöhnlich gekleidet, unkonventionell. Sie, die ihren Namen mit Mara angibt, ist freundlich und besonders Sophie entwickelt schnell enge freundschaftliche Gefühle für die Fremde. Als Mara auch zu Inga in Kontakt kommt, reagiert Sophie eifersüchtig. Aber auch zu Jella findet Mara schnell eine sehr enge Beziehung, so dass sich das Mädchen ihr gegenüber öffnet und Dinge erzählt, die sie ihren Eltern nicht anvertraut. Thies jedoch verfällt regelrecht der Ausstrahlung Maras, er verfolgt sie, wünscht oder vielmehr erträumt sich eine Liebesbeziehung mit ihr.
Bei einem gemeinsamen Beisammensein kommt es zum Eklat und alle erfahren, was Jella die ganze Zeit verschwiegen hat. Natürlich geht es dabei um Aarons Tod, dessen genauer Hergang bisher im Dunkeln geblieben war.
Es fällt mir ungemein schwer, mir ein Urteil über dieses Buch zu bilden. Handlung und Thema sind interessant, die Spannung steigt, weil die Leserin natürlich die Hintergründe von Aarons Todesumständen erfahren möchte. Die Geschichten um die einzelnen Figuren sind gut ausgearbeitet und recherchiert, so die Zusammenhänge der Anti-Atomkraft-Demonstrationen im Wendland – dem Ort des Geschehens – oder Details zu der autonomen Stadt Christiania in Kopenhagen.
Und doch fand ich keinen Bezug zu den Figuren, sie wirken auf mich steif und marionettenhaft, die Worte, die die Autorin ihnen in den Mund legt, klingen nicht lebensecht, wecken in mir kein Mitgefühl, kein Verständnis. Insbesondere die Figur des Thies ist für mich nicht nachvollziehbar, seine Handlungen unverständlich, unrealistisch. Von den vier Protagonisten wirkt am ehesten Bodo authentisch, der als Kriminalbeamter bei den Recherchen zu Aarons Tod zwar nicht offiziell beteiligt war, aber immer informiert wurde und der auch über Mara Nachforschungen anstellt, statt einer Fremden so vorbehaltlos zu vertrauen. Die Auflösung schließlich ist dann, in Anbetracht des Spannungsaufbaus, relativ unspektakulär.
Da aber bekanntlich die Wirkung von Romanfiguren auf die Leser:innen etwas sehr Subjektives ist, möchte ich damit keinesfalls zum Ausdruck bringen, dass der Roman von Kristina Hauff, die unter ihrem eigenen Namen Kriminalromane schreibt, nicht lesenswert ist. Denn vor allem das Grundthema – wie gehe ich mit einem solch großen Verlust wie dem Tod des eigenen Kindes um – ist berührend und macht nachdenklich.
Kristina Hauff: Unter Wasser Nacht.
hanserblau, Februar 2021.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.