Klara Jahn: Die Farbe des Nordwinds

Wie aus dem Nichts ergreift Klara Jahn die Enden der beiden Handlungsstränge, die schließlich die Geschichte dieses Buches weben.

Es geht zum einen um Ellen, die von ihrer unsteten und haltlosen Mutter 1985 auf eine Hallig in Norddeutschland mitgenommen wird, weil sie dort einen Bauern zu lieben glaubt.  Als die Beziehung scheitert, muss Ellen mit ihrer Mutter weiterziehen, aber das Land hat sie zutiefst geprägt und 20 Jahre später kommt sie zurück, um auf ebendieser Hallig als Lehrerin zu arbeiten.

Zum anderen erzählt dieses Buch die Geschichte von Arjen Martenson, der 1825 auf derselben Hallig als Lehrer tätig ist und eine Chronik schreibt über eine große Sturmflut. Diese Chronik dient Ellen und ihren Schülern als Basis für ein Theaterstück.

Vergangenheit und Gegenwart berühren einander in den Menschen und ihren Schicksalen. Wie Ebbe und Flut kehren Probleme in jeder Generation wieder, verlassen Menschen die Hallig und kommen zurück, oder auch nicht.  Manche sind ihr Leben lang an sie gebunden, ohne das zu wollen. Liske z.B., deren Vater mit Ellens Mutter eine Beziehung zu führen versucht hat, ist geblieben, obwohl sie immer fortwollte. Sie hat den Hof übernommen und zieht ihren kleinen Sohn dort alleine groß. Ihr greiser Vater kann ihr nicht mehr helfen. Ellen wohnt bei ihr zur Miete. Beide, Arjen Martenson im 19. Jhdt. und Ellen im 21. Jhdt., kämpfen um den Erhalt der Hallig und sorgen sich um ihre Zukunft.

In diesem Buch geht es um Beharrlichkeit, um das Festkrallen an einem rauen Stück Land, um Altes und die Anforderungen einer neuen Zeit.  Es geht um eine ständig bedrohte Heimat, das Schlagen von Wurzeln, damit man die Stürme des Lebens übersteht. Es geht um Familienbande, Freundschaften und um Zusammenhalt ein Leben lang. Beide Handlungsstränge finden sich schließlich in einer großen Flut, die Leben bedroht und einiges, auch in den Köpfen und Herzen der Halligleute, verändert.  Beide Male, 1825 und 2005, sind die Dinge nach dem Sturm nicht mehr so, wie sie vor ihm waren.

Am Ende des Buches wartet eine Überraschung auf den Leser, mit der ich keine Minute gerechnet habe und die mich sehr berührt hat.  Fazit: Eine großartige Geschichte, klug und durchdacht, in jeder Hinsicht perfekt recherchiert, ruhig, manchmal fast elegisch erzählt. Absolute Leseempfehlung von meiner Seite!

Klara Jahn: Die Farbe des Nordwinds.
Heyne, März 2021.
400 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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