Jeaniene Frost: Night Rebel 01: Kuss der Dunkelheit

Als Autor mit gelegentlichen Abstechern in die Sub-Genres Urban Fantasy und Dark Fantasy reizte mich nach einem Blick in die Leseprobe die Frage, ob mich Jeaniene Frost mit dem Spagat zwischen dem düsteren Genre einer Vampirgeschichte und ihrem locker-frivolen Schreibstil überzeugen könnte. Kurze Antwort: Sie konnte – wenn auch anders, als ich erwartet hatte.

Highlander – Es kann nur einen geben! Das war der Gedanke, der mir nach etwa dreißig Seiten kam. Zwei Kontrahenten verbünden sich notgedrungen gegen einen Dritten, und sobald sie jenen zur Strecke gebracht haben, wenden sie sich gegeneinander. So die gleich lautende Absicht der attraktiven vampirischen Gesetzeshüterin Veritas und dem sexuell ausschweifenden und nichtsdestoweniger burschikos-sympathischen Vampir Ian. Der hatte mit dem Dämonen Dagon, eigentlich einem Erzfeind der Vampire, einen Pakt geschlossen, den er annullieren möchte, Veritas hat mit Dagon auch ein Hühnchen zu rupfen und nutzt Ian als Köder. Unsterblich sind alle drei. Und sie setzen magische Kräfte ein, von denen weder der jeweils andere Protagonist noch wir uns hätten träumen lassen.

Sofort fällt auf, wodurch dieses Buch sich von anderen abhebt: Es ist ein Roman aus der Ich-Perspektive von Veritas. Schon nach den ersten Kapiteln merkt der Leser, dass er nicht gerade vom Thrill lebt. Die Aufgabe, der sich die Protagonisten annehmen, bleibt nach ihrer Vorstellung am Beginn des Buchs lange im Hintergrund, die Spannungsbögen sind jeweils recht kurz. Doch hat die Handlung bemerkenswerte Konkurrenz: Neben einem Einblick in die Welt der Vampire, in ihre Organisation, ihre Fähigkeiten und Schwächen gewährt Jeaniene Frost die intensive Teilnahme an den Gefühlen der beiden Helden – und bedient sich eines leichtfüßigen und humorvollen Schreibstils. Die Gefühle sind tief; regelmäßig zielen sie unter die Gürtellinie, Augen und Hände ebenso. Das zeigt sich in der Sprache nicht nur bei den bissig-frivolen Dialogen, die erfrischend zahlreich die Geschichte auflockern. So ist die Ausdrucksweise eindeutig erotisch, aber jugendfrei und sympathisch. Vor allem durch die Selbstironie der Ich-Erzählerin wirkt sie erheiternd. Und wenn die Protagonisten sich seufzend der Probleme aus ihrer Vergangenheit widmen, kann sich der Leser dieser Stimmung nicht entziehen. Überhaupt sind die Charaktere von Veritas und Ian so greifbar detailliert, dass ich mich sofort in beide hineinversetzen konnte, wobei es leichter fiel, mich mit der Erzählerin zu identifizieren.

Einen Weltbestseller hat Jeaniene Frost nicht gerade geliefert. Dafür ist schon das Sub-Genre Vampirroman in einer zu engen Nische der Literatur. Zudem bin ich mir nach dem Lesen immer noch nicht ganz klar, ob es sich um ernst gemeinte Dark Fantasy handeln soll oder eher um erotische Literatur. Beidem ist es nicht zu 100% verbunden. Wer zum Lachen in den Keller geht, sollte von diesem Buch die Finger lassen. Für Genre-Liebhaber, erst recht für Hardcore-Fans ist es kein Must-Read. Es ist eine sympathische Unterhaltung für alle, die sich gern hineinziehen lassen in eine geheimnisvolle Atmosphäre, die sich aber nicht finster präsentiert. Der ausgezeichnete Sprachwitz und die liebevolle Gestaltung der heldischen Kontrahenten machen »Night Rebel – Kuss der Dunkelheit« trotz der beinahe im Hintergrund ablaufenden Handlung zu einem lesenswerten Buch. Jeaniene Frost hat den Drahtseilakt zwischen düsterer Atmosphäre und flottem Schreibstil gemeistert. Dabei verdankt sie mein Urteil mehr der Kür der unterhaltsamen, ironisch-erotischen Ausdrucksweise als der Pflichtübung eines angekündigten spektakulären Abenteuers.

Jeaniene Frost: Night Rebel 01: Kuss der Dunkelheit.
Blanvalet, Januar 2021.
384 Seiten, Taschenbuch, 12,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Michael Kothe.

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