Ein gut recherchiertes Buch zu lesen, kann interessant sein und Freude machen. Wenn die Detailverliebtheit aber auf die Spitze getrieben wird und die Informationen die Leserin erschlagen, wird diese Freude entscheidend getrübt.
Da hilft es auch nicht, dass die erzählte Zeit besonders interessant und insbesondere politisch hochspannend war. Katharina Fuchs, mit ihren früheren Romanen, die sich vielfach a
n ihrer eigenen Geschichte orientieren, auf den Bestsellerlisten präsent, schildert in aller Ausführlichkeit das Leben dreier Mädchen, beginnend in den 70er und 80er Jahren.
Die Ereignisse, um die sich der Roman dreht, geschehen in einer Kleinstadt im Rhein-Main-Gebiet. Im Mittelpunkt dieser Geschehnisse stehen die Mädchen Minka, Tochter des Bürgermeisters, und Caro, deren Vater die Schokoladenfabrik im Ort betreibt. Die Dritte ist Claire, ein Mädchen aus Vietnam, welches von Caros Familie adoptiert wird.
Auf vielen Seiten erzählt Katharina Fuchs von den Anfängen der Umweltschutzbewegung – so am Beispiel der Mädchen, die Kröten über eine verkehrsreiche Straße tragen -, bindet historische Ereignisse, wie das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt, seinen Kniefall in Warschau und vieles mehr, in die Handlung ein.
Das ist wie erwähnt interessant, vor allem für Leser, die diese Zeit als Kind oder Heranwachsende vielleicht miterlebt haben. Doch wechselt die Autorin ständig die Perspektiven, wobei sie grundsätzlich auktorial erzählt. Das führt zu einer ziemlichen Distanz zu den Figuren, von denen es reichlich gibt. Ob es die Stammtischbrüder sind, die Fabrikarbeiter, die Mitschüler der Mädchen oder die Mitarbeiter im örtlichen Forschungslabor. Dieses nämlich macht heimlich Versuche mit den in einem Heim untergebrachten Waisenkindern. Auch das wird thematisiert.
Dadurch wirkt der Roman auf mich überfrachtet, wie eben auch durch die unnötige Informationsüberflutung. Ein Beispiel: Details zur Erhöhung des Verständnisses sind gut und schön. Aber ob es nötig ist, während die kleinen Mädchen am Main entlang spazieren, über zwei Seiten hinweg in aller Ausführlichkeit über die Wasserqualität des Flusses bis hin zum exakt angegebenen Härtegrad zu berichten, weiß ich nicht. Das führt dazu, dass sich die Handlung unnötig in die Länge zieht, keine Spannung aufkommt und die Figuren verblassen. Dies, wie schon gesagt, auch durch die häufigen Wechsel der Perspektive.
Der Roman gewinnt auch nicht an Fahrt, als die Mädchen erwachsener werden, ihre eigenen Wege beschreiten. Es wäre der Geschichte und insbesondere der Spannung ganz sicher zuträglich gewesen, das Buch um etliche hundert Seiten zu kürzen und den Infodump einzugrenzen.
Schade, denn thematisch könnte das Buch fesseln.
Katharina Fuchs: Unser kostbares Leben.
Droemer, Dezember 2021.
624 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.