Die Geschichte um den Kriminalkommissar Gereon Rath, der Ende der 20er und während der 30er Jahre in Berlin ermittelte, ist nach dem 10. Band endgültig und noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs zu Ende gewesen. Aber wie hat Gereon, wie hat Charlie, wie haben all die anderen diese Zeit überstanden?
Volker Kutscher lässt das in diesem Band Gereon selber erzählen. Dieser ist inzwischen ein alter Mann. Aber er erinnert sich noch sehr genau, auch wenn er das vor diesem Journalisten mit den vielen Fragen nicht immer zugeben mag. Obwohl es ihn selbst in den Westen verschlagen hatte, hatte er doch so einiges in Ostberlin zu erledigen. Dinge, über die er offenbar nicht gerne spricht. Und Dinge, die ganz grauenhaft schiefgelaufen sind, ob mit oder ohne seine Beteiligung. Denn seine Ex-Frau Charlie hatte sich in Ostberlin ein neues Leben aufgebaut, mit Mann und Sohn. Konnte er sich da wirklich so sehr raushalten wie er behauptet, oder ist er an der Verhaftung ihres Mannes in den 50ern doch beteiligt gewesen? Wie gesagt, er spricht nicht gerne darüber.
1973 interviewt ihn ein Professor Singer – Lesern der Rath-Reihe wird der Name sofort bekannt vorkommen. Er befragt ihn zuerst ganz allgemein zu seiner Tätigkeit in den 30er Jahren, aber auch zu einem ganz bestimmten Fall. Nach und nach wird klar, dass es gerade dieser Fall ist, der interessiert und der damals noch lange nicht so abgeschlossen war, wie Rath alle gerne glauben machen möchte.
Westend ist ein sehr schöner Bonus zur Rath-Reihe, weil hier die Schicksale der meisten Beteiligten der Bücher noch einmal aufgegriffen und zu Ende erzählt werden – auch wenn es manchmal nur darum geht, dass sie den Krieg nicht überlebt haben. Illustriert ist das Ganze liebevoll von Kat Menschik, der sowohl die fiktiven als auch die realen Personen alle paar Seiten bildlich darstellt (und noch einiges mehr). Besonders gelungen fand ich die Zeichnung von Adenauer, weil sie eben nicht den freundlich lächelnden Adenauer darstellt, wie er so häufig durch die Presse ging. Menschik zeigt ihn hier konzentriert und fast schon grimmig, was zu dem Teil der Erzählung sehr gut passt.
Insgesamt ein sehr gelungenes, wenn auch dünnes Büchlein, dass endlich alle Fäden zu einem in den meisten Fällen sehr gelungenen Ende bringt.
Kat Menschik/Volker Kutscher: Westend Galiani-Berlin, September 2025 112 Seiten, Gebundene Ausgabe, 23,00 EuroDiese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.