Zeitreisen sind Realität. Das erfährt eine (lange namenlose) junge Frau, die sich auf einen Job bewirbt, von dem sie erst nach der Einstellung erfährt, um was es geht. Es ist dem „Ministerium der Zeit“ gelungen, Menschen aus verschiedenen Epochen in die Gegenwart zu holen. Menschen, die in ihrer eigenen Zeit ohnehin sehr bald gestorben wären, sodass die Auswirkungen auf die Geschichte marginal sind. Glaubt man. So auch der Polarforscher Graham Core, Mitglied der katastrophal geendeten Expedition um die Schiffe „Terror“ und „Erebus“. Graham sollte 1847 sterben und jetzt soll er in unserem Jahrhundert leben.
Ein Zeitreiseroman mit einer seltenen Perspektive. Diesmal sind es nicht Protagonisten unserer Zeit, die sich n fremden Zeiten einfinden müssen, sondern Menschen aus der Vergangenheit lernen unsere Welt kennen. Da zu erwarten ist, dass das nicht problemlos vonstattengeht, wird jedem eine sogenannte „Brücke“ zur Seite gestellt. In Grahams Fall ist das die unbenannte junge Agentin. Sie führt ihn durch die Neuerungen der Zeit, wobei die technischen Entwicklungen noch das kleinste Problem darstellen. Vielmehr macht Graham die Entwicklung der Menschen Sorgen. Selbst tief religiös und mit klaren Moralvorstellungen, kommentiert er leicht empört Frauenrechte, Zusammenleben ohne Ehe, das Ende des Kolonialismus. Dabei bleibt er immer ein wahrer Gentleman. So entwickelt sich zwischen den beiden ganz langsam mehr als nur eine Arbeitsbeziehung.
Graham ist nicht der Einzige, der durch dieses Portal in die Gegenwart geholt wurde, von den anderen erfahren wir jedoch nur am Rande von ihrem Einleben. Gerade genug, um Unterschiede deutlich zu machen und Graham klar zu charakterisieren.
Das Zeitreiseportal ist jedoch nicht so ein problemloses Arbeitsmittel, wie das Ministerium behauptet, und die Zukunft lässt sich nicht so ohne weiteres ins Handwerk pfuschen. Denn das Portal existiert ja weiter und das bedeutet, dass man auch aus der Zukunft in die Gegenwart reisen kann.
Herausgekommen ist ein sehr intelligenter Roman über Menschen, über verschiedene Perspektiven und die Frage, ob unsere Moral sich wirklich so sehr verbessert, wie wir glauben. Das Ganze ist eingebettet in eine Thrillerhandlung um Verrat und Vertrauen, was es dann auch noch ziemlich spannend macht.
Kaliane Bradley: Das Ministerium der Zeit
Aus dem englischen übersetzt von Sophie Zeitz
Penguin Verlag, 04 / 25
385 Seiten, gebundenes Buch, 24 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.