„Schlussakkord“ wird beworben als Buch für „Musikliebhaber und True-Crime-Fans“. Ich bin beides nicht und trotzdem fand ich das Buch großartig. Das liegt vor allem daran, dass man von den meisten beschriebenen Künstlern schon mal irgendwie was gehört hat, aber auch an Ingo Scheels mitreißendem Schreibstil. Trotz des morbiden Themas machte es einfach Spaß, ihm durch die Jahrzehnte zu folgen. Es geht natürlich um den „Forever 27 Club“, aber auch um Musiker, die ein paar Jahre mehr geschafft haben oder auch weniger. Beschrieben sind die letzten Tage oder auch Stunden von Brian Jones, Cathy Wayne, Bobby Fuller, Alexandra, Cliff Burton, Eddie Cochran, Buddy Holly, Otis Redding, Sam Cooke, Darrell Banks, Marvin Gaye, Christina Grimmie, John Lennon, Sid & Nancy, Kurt Cobain, Jimi Hendrix, Janis Joplin, »Mama« Cass Elliot, Keith Moon, Nick Drake, Amy Winehouse, Joe Meek, Mal Evans, GG Allin, Michael Hutchence , Whitney Houston, Jim Morrison, Bob Marley, Nico und Scott Weiland.
Am Anfang mancher Kapitel gibt es Illustrationen der Musiker von Oliver Schmitt, die die besprochenen Musiker zeigen. Einige kannte ich, von anderen hatte ich noch nie gehört. Ein Tipp: Am Ende des Buches gibt es einen Link zu einer Spotify-Playlist. Leute, so was gehört an den Anfang eines Buches, damit der Leser sich nicht mühsam jeden angesprochenen Song bei Spotify heraussucht, um am Ende festzustellen, dass das schon jemand getan hat. Denkt doch auch mal an die E-Book-Leser, die nicht zuerst einfach mal durchblättern. Ingo Scheel beschreibt das Wirken und Sterben der Künstler nämlich interessant genug, dass man neugierig wird und eben sucht.
Es gab Kapitel, die man unter „na ja, ganz interessant“ abhakt, Kapitel, bei denen man denkt „wie das war’s jetzt?“ – das fand ich besonders bei Curt Cobain und Whitney Houston, wo ich dachte, da muss es doch noch mehr geben, da war doch so ein Presserummel damals (ja, bei mir waren es die Kapitel, bei deren Protagonisten ich schon alt genug war, um was mitzubekommen). Aber auch Kapitel, bei denen ich dachte „Wow, das ist ja mal ein interessanter Aspekt“. So ging es mir bei Alexandra – dass sie eine miserable Autofahrerin war, scheint ja kein Geheimnis gewesen zu sein – und trotzdem rankten sich um ihren Unfall Legenden. Bei John Lennon fand ich den Ansatz spannend, dass er schon Tage vorher immer wieder auf seinen Mörder Chapman traf und den Link zu Jodie Foster. Dass Buddy Holly bei einem Flugzeugabsturz umkam, ist ja kein Geheimnis, aber wie und warum es überhaupt dazu kam, dass eben jene drei in dem Flugzeug saßen, dass es überhaupt ein Flugzeug gab und wer mit wem getauscht hat, das hat es schon superspannend gemacht.
Am Ende jedes Kapitels gibt es eine kleine Überleitung – man könnte auch Cliffhanger sagen – zum nächsten Kapitel. Eigentlich wollte ich pro Abend mal ein Kapitel lesen und die dazugehörige Musik hören, aber man bleibt einfach dran an dem Buch.
Fazit: Viele neue Künstler vorgestellt bekommen, viel neue Musik gehört, gelungenes Experiment meinerseits mit einem Genre, dass in jeder Hinsicht unbekannt war. Das lag auch an dem lockeren, teilweise flapsigen Schreibstil von Ingo Scheel, der mich sehr gut unterhalten hat.
Ingo Scheel: Schlussakkord: Wie Musiklegenden für immer verstummten
Ventil Verlag, Mai 2024
232 Seiten, Taschenbuch 24 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.