Eine Urlaubszeit kann vieles sein. Für Guy de Maupassant (1850 – 1893) ist es eine Flucht vor den Menschen und einem tief sitzenden Lebensekel. Denn allem, was irgendwie nach Beziehung riecht, möchte er aus dem Weg gehen, bis ihn wieder die Neugier packt und er auf dem Festland nach geistiger Nahrung sucht. Es entsteht ein Spiel mit dem Feuer, auf das de Maupassant weder verzichten noch von ihm lassen kann.
„…Anscheinend kann es keine Bekanntschaften geben, die keine Verpflichtungen, Empfindlichkeiten und einen gewissen Grad von Knechtschaft nach sich ziehen. Kaum hat man den Höflichkeiten eines Unbekannten ein Lächeln geschenkt, hat dieser Unbekannte einem etwas voraus, sorgt sich um das, was man tut, und wirft einem vor, ihn zu vernachlässigen. Kommt es gar zur Freundschaft, bildet sich jeder ein, Rechte zu haben; die Beziehungen werden zu Pflichten, und die Bande, die uns einen, scheinen in Schlingen zu enden.“ (S. 104)
Der eingefleischte Junggeselle Guy weiß aus diesen Gründen die Vorzüge einer privaten Kreuzfahrt zu schätzen. Zehn Tage segelt er entlang der Mittelmeerküste. An Bord seiner Yacht „Bel-Ami“ sind außer ihm nur noch zwei Seeleute. Nichts soll auf seiner Reise passieren. In den Tag hineinleben will er, nachdenken, seine Gedanken aufschreiben, die Seele baumeln lassen.
Aus dieser Grundidee entstand – möglicherweise auf Wunsch seines Verlegers – 1888 sein Buch „Auf See“, in dem kleine, unterhaltsame Episoden, Gerüchte, Landschaftsbeschreibungen zusammengefügt worden sind. Sie zeigen den Schriftsteller Guy de Maupassant von seiner privaten Seite, so dass sein freier, moderner aber auch kritischer Geist erfrischend sichtbar wird.
An einer Stelle schreibt er: „… Niemand gehört jemals irgendjemandem.“ (S. 105)
Diesen Gedanken führt er konsequent fort, wenn er wenig später folgert: „… Gehört einem jemals eine Frau? … Alle Liebesgefühle verlieren ihren Zauber, wenn sie autoritär werden.“ (S. 106)
In seinen Werken hat er vielfach die Konflikte der Liebenden, der Unterdrückten und Unterdrücker ausgeschmückt und diese möglicherweise aus seinem direkten Umfeld verarbeitet. Schließlich schreibt jeder, wovon er etwas versteht. Zumindest darf der Leser darauf hoffen. Die logische Konsequenz hieraus wiederum könnte de Maupassants Zeitgenossen weniger gefallen haben, wenn er über die Salons und seine Gastgeberinnen berichtet. „… Gewiss ist es für Gesellschaftsmenschen ebenso gefährlich, Romanciers zu hätscheln und zu gewinnen, wie es für einen Mehlhändler gefährlich wäre, in seinem Laden Ratten zu züchten.“ (S. 30)
Man kann „Auf See“ wie ein Tagebuch lesen, in denen – genau genommen – auch Ausschnitte seiner früheren Arbeiten erkennbar sind. Alternativ könnte man sich aber auch auf eine Spurensuche begeben. Für Literaturliebhaber dürfte das nur fünf Jahre vor seinem frühen Tod entstandene Werk eine Bereicherung sein.
Guy de Maupassant: Auf See (1888).
Unionsverlag, Februar 2015.
200 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.