Was vordergründig als Krimi daherkommt, entpuppt sich als eine niederschmetternde, sozialpsychologische Studie. Manchmal geht es mir auch so, wenn ich durch die Straßenschluchten und Wohnblocks der Häuser radele, und mich frage, was sich hinter diesen Fenstern und Türen für Dramen abspielen. Wie viele Familien nur noch auf dem Papier existieren, Pubertiere auf die -wie an den Händen festgewachsen – Smartphones starren und dir die Einsamkeit von überall entgegen schreit! Mit einem solchen Fall dieser dunklen Seiten aus menschlichen Wrackteilen, bekommt es unser pensionierter Kommissar Jakob Franck zu tun. Der „Fall“ liegt schon 20 Jahre zurück, aber der Vater der damals siebzehnjährigen Tochter, die man erhängt im Stadtwald fand, kann sich bis heute nicht damit abfinden und glaubt nicht an einen Selbstmord! Er wendet sich an Jakob Franck mit der Bitte, alles noch mal aufzurollen. Nach und nach entwickelt sich für Franck ein düsteres Bild, eine Mischung aus Gier, Neid, Schein und sprachloser Einsamkeit. Es kommt am Ende sogar zu einer Art Lösung des Falles, aber wichtig ist das für dieses klasse Buch nicht. Der Roman entwickelt einen Sog aus seinen brüchigen Figuren und einmal mehr geht es um die menschliche Existenz als Ganzes. Wie kriegt man sein Leben rum und an welchen Stellen reicht es einem einfach? Sehr empfehlenswert, wie eigentlich alles, was ich bisher von Ani gelesen habe!
Friedrich Ani: Der namenlose Tag.
Suhrkamp, August 2015.
301 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.