Im Vorwort erläutert Franziska Hauser, dass die Grundlage dieses Romans die Geschichte ihrer eigenen Familie ist. Die Ausgestaltung entspringt ihrer persönlichen Sichtweise und ihrer Kreativität.
Es ist die Zeit der fünfziger Jahre, in denen die Ich-Erzählerin Tamara Hirsch in der ehemaligen DDR aufwächst. Bis in die achtziger Jahre folgen wir ihrem Weg und dem ihrer Familie. Die Autorin geht in der Familiengeschichte 120 Jahre zurück. Ihre jüdischen Wurzeln, Krieg und Nationalsozialismus haben die Hirschs geprägt.
So liest man von dieser ehemals angesehenen bekannten Familie mit dem hochgebildeten Großvater Friedrich Hirsch und den herrschaftlichen Verhältnissen im Großelternhaus. Wir erfahren von den Herausforderungen, bzw. den sich immer weiter zuspitzenden gesellschaftlichen Problemen des Nationalsozialismus, denen Friedrich Hirsch sich stellen muss, bis er nach England ins Exil geht.
Tamaras Vater Alfred dagegen vertritt die gegenteilige politische Maxime seines Vaters. Er steht hinter Kommunismus und Sozialismus, was ihm durch seinen Sonderstatus, den er als Romanautor genießt, nicht schwer fällt. Er, der einstige Widerstandskämpfer und seine exzentrische, depressive Frau Adele fallen beide durch ihre verruchten Eigenwilligkeiten aus der Norm. Außerdem verbringen sie die meiste Zeit lieber im Ausland mit Besuchen von Lesungen und kulturellen Vorträgen, als zu Hause bei den Kindern. Beide sind unfähig, den Töchtern Tamara und Dascha die Zuwendung zu geben, die sie dringend brauchen. So ist jede der beiden Schwestern auf ihre Art traumatisiert, was auch in den sexuellen Übergriffen des Vaters und der stillen Duldung der Mutter begründet liegt.
Wenigstens die ostpreußische Haushälterin Irmgard (mit ihrem herrlich in den Mund gelegten Dialekt), kann den Mädchen etwas Wärme und Normalität vermitteln.
Die Schattenseiten und Machenschaften sind in dieser Familie allgegenwärtig und flechten sich bedrohlich und abenteuerlich in die Handlungen ein.
Kein Wunder, dass die rebellische, nonkonformistische Tamara, die später den Beruf der staatlichen Puppenspielerin ergreift und ihre Schwester Dascha trotz der Privilegien mit Westbesuchen schwerlich mit ihrem Leben zurechtkommen.
Dass sie gern bei Gewittern im See schwimmt, symbolisiert Tamaras Sehnsucht nach dem Tod. Die Schilderungen ihrer Psyche lesen sich emotional eindringlich.
Franziska Hauser: Die Gewitterschwimmerin.
Eichborn, Februar 2018.
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.
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