Frances Cha: Hätte ich dein Gesicht

Fünf junge Frauen aus Seoul stehen in diesem Buch im Mittelpunkt. Kyuri arbeitet in einem Room- Salon. Männer, die es sich leisten können, verbringen dort gesellige Stunden und suchen Zerstreuung an der Seite hübscher Mädchen. Kyuri ist der Star in ihrem Room-Salon, weil sie so unglaublich schön ist. Was niemand weiß, sie ist heillos bei der „Madame“ des Etablissements verschuldet und ihre Schönheit hat sie der plastischen Chirurgie zu verdanken. Kaum etwas an ihr ist nicht operiert. Außerdem trinkt sie zu viel. Kyuri teilt sich eine kleine Wohnung mit Miho. Sie ist Künstlerin und sehr talentiert. Bei einem Aufenthalt in New York, ermöglicht durch ein Stipendium, lernt sie die superreichen Koreaner in den USA und ihre Welt kennen. Miho aber will es in der Kunstszene ohne Protektion schaffen. Im selben Wohnblock wie Kyuri und Miho leben Sujin und Ara. Sujin ist mit Miho im Waisenhaus groß geworden und möchte unbedingt in einem Room-Salon arbeiten. Dafür spart sie an allen Ecken und Enden, um sich eine Schönheitsoperation leisten zu können. Bei der Operation brechen die Ärzte ihr Kiefer und kreieren ein perfektes Gesicht. Nach einem schier endlosen Heilungsprozess bleiben ihr Kinn und die Mundpartie jedoch taub. Ara hat als Teenager ihre Stimme verloren. Sie arbeitet als Friseurin, lebt aber insgeheim nur für den Schauspieler und Sänger Taein. Sie verfolgt sein Leben auf allen Sozial-Media- Kanälen und träumt sich an seine Seite, bis sie ihm eines Tages tatsächlich begegnet. Wonna ist verheiratet und wohnt eine Etage unter den Mädchen. Sie wünscht sich sehnlichst ein Baby, obwohl ihr Mann und sie sich kein Kind leisten können. Sie hatte mehrere Fehlgeburten und als sie endlich ein weiteres Kind zu behalten scheint, entdeckt sie ein Geheimnis ihres Mannes.

Das Leben in Seoul ist knallhart. Nur wer unvergleichlich schön ist, zieht die Blicke der Männer auf sich, bekommt Geschenke, Kleider und Schmuck, bevor der Gönner sich einem anderen Mädchen zuwendet. Nur wer für seine Firma arbeitet bis zur Erschöpfung, behält seinen Arbeitsplatz und hat ein sicheres Einkommen. Andere werden in superreiche Familien geboren, kaufen Frauen, die Ausbildung der Kinder, Luxusgüter. Es geht viel um Geld in diesem Buch. Geld, das man bräuchte, um menschenwürdig leben zu können, Geld, das einige Familien in unglaublicher Menge besitzen. Für Geld trinken die Room-Salon-Mädchen bis zum Exzess, für Geld schlafen sie mit Männern, die ihnen nichts bedeuten und die Männer, in die sie sich verlieben, denken nicht daran sie zu heiraten, weil sie Prostituierte sind. In einer klaren, unaufgeregten Sprache erzählt Frances Cha über die fünf Protagonistinnen und darüber, wie sie versuchen, ihr Leben zu stemmen. Dabei eröffnet sich ein faszinierender Einblick in die Gedankenwelt, das Wertesystem und das soziale Zusammenleben in Korea. Die fünf Nachbarinnen halten fest zusammen und ihre unverbrüchliche Freundschaft lässt am Ende des Buches für jede Einzelne auf eine etwas bessere Zukunft hoffen.

Frances Cha: Hätte ich dein Gesicht.
Aus dem Englischen übersetzt von Nicole Seifert.
Unionsvelag, Juli 2022.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 23,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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