Strafverteidiger Rocco Eberhard wird im Krimi „Die letzte Lügnerin“ immer wieder tief in seine eigenen Fälle verstrickt. So auch in diesem dritten Band des deutschen Autorenduos Florian Schwieker/Michael Tsokos. Normalerweise zur Seite mit Rat und Tat steht ihm dabei der Gerichtsmediziner Dr. Justus Jarmer.
Das ist in diesem Fall eher schwierig, denn anders als in manchen amerikanischen Thrillern kennt Jarmer seine Rechte und Pflichten und ist nicht bereit, Rocco als Verteidiger des Angeklagten mehr Informationen zu geben, als dieser im Gerichtssaal erhält.
Florian Schwieker hat Erfahrung als Strafverteidiger in Berlin, Michael Tsokos ist Forensiker, die beiden wissen also, worüber sie schreiben. Was beide nur bedingt sind (und das bedeutet hier nicht, dass sie es gar nicht sind, das Buch liest sich wirklich gut), ist Geschichtenerzähler. Der Roman ist hervorragend geplottet, hat unerwartete Wendungen und überraschende Twists.
Protagonist bleibt nicht im Gedächtnis
Was mir letztendlich fehlte, war das Brennen der Autoren für ihren Protagonisten, wie es z.B. ein Steve Cavanagh zeigt (übrigens auch nicht in allen seinen Romanen). Rocco ist sauber aufgebaut, hat eine Geschichte, Prinzipien und Ziele und trotzdem bleibt er nicht im Gedächtnis. Er ist ein Protagonist, den man eben so hinnimmt. Das Verhalten der titelgebenden Lügnerin kam dann ein bisschen als deus ex machina, was meiner Ansicht nach im Thriller wenig zu suchen hat. Und das, obwohl sie schriftstellerisch wirklich sauber aufgebaut war, mit Hinweisen über den Roman hinweg und einem persönlichen Coming-out am Ende. Trotzdem blieb auch sie sehr blass und verkrampft.
Insgesamt fand ich den Roman zwar spannend, aber nicht überzeugend, obwohl die Gerichtsszenen von Fachkompetenz zeugen und auch Roccos Hintergründe eigentlich viel Potenzial bieten.
Florian Schwiecker/Michael Tsokos: Die letzte Lügnerin.
Droemer Knaur, März 2023.
272 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.