Ewald Arenz ist ein ganz besonderer Schriftsteller, seine Bücher „Alte Sorten“ und „Der große Sommer“ sind absolute Highlights in meinem Bücherregal. Seine intensiven, geradezu fühlbaren Beschreibungen, seine mit spitzem Stift präzise und mit Empathie gezeichneten Figuren, das bleibt im Gedächtnis, das wirkt nach.
Gleiches gilt auch für das Diamantenmädchen, auch hier schafft er Atmosphäre durch bildhafte Beschreibungen, macht das Wetter, Gerüche und Geräusche fühlbar, erfahrbar. Hier erlebt man beim Lesen den Sturm mit, spürt den Wind im Haar und hört das Rauschen des Regens. Dennoch wirkt dies auf mich nicht so leichtfüßig, nicht so subtil, wie in seinen beiden anderen Romanen, in denen es gerade das war, was ihre Besonderheit ausmachte.
Hier, in diesem Buch, gelingt es ihm hingegen, die Stimmung und die nervöse Geschäftigkeit in Berlin der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts perfekt einzufangen und in Worte zu fassen. Doch die sehr gelungenen Beschreibungen tun der Spannung und der Handlung keinen Gefallen.
Die junge Lilli, Mitte 20 und beim Ullstein Verlag als Journalistin für die Berliner Illustrierte beschäftigt, gerät in Kontakt mit politischen Kreisen. Dort sucht man einen unbekannten Diamantschleifer, der heimlich Diamanten zu wertvollen Steinen schleifen soll. Heimlich, weil Deutschland erhebliche Reparationen zahlen muss und die Diamanten dafür möglichst nicht herangezogen werden sollen. Lilli verweist den Politiker an ihren Jugendfreund Paul, den besten Freund ihres Bruders Wilhelm. Letzterer ist im Ersten Weltkrieg verschollen. Dieser Verlust führte dazu, dass zwischen Lilli und Paul eine Entfremdung eintrat, obwohl Paul ihre erste Jugendliebe war.
Parallel zu diesem Handlungsfaden geschieht in Berlin der Mord an einem Farbigen. Neben der Leiche wird ein kleiner Rohdiamant gefunden. Das führt zu einer Begegnung zwischen dem Ermittler und Lilli, die gerade an einer Artikelserie über Diamanten arbeitet. Der ermittelnde Kommissar Schambacher fühlt sich stark zu Lilli hingezogen, was ihn in seinen Ermittlungen zu behindern droht.
Die Verwicklungen von Paul in den Mord erscheinen augenfällig, da sich Beweise zu finden scheinen. Lillis Beziehung zu Schambacher wird enger, ihre Zweifel an Paul steigen. Eine dubiose Rolle spielt dazu noch ein eigenartiger Mann ohne Gesicht, der immer wieder auftaucht. Vor dem Lilli sich fürchtet und der sie bis in ihre Träume verfolgt.
Leider ahnt man als Leserin recht schnell, wohin das führt, so dass auch hier die Spannung ein wenig leidet. Der gesamte Handlungsverlauf ist etwas langatmig und die Entwicklung etwas zu zögerlich, zu zäh, um zu unterhalten, es drängt sich der Eindruck auf, als könnte Ewald Arenz sich nicht entscheiden, ob er einen historischen Roman oder einen Krimi schreiben möchte.
So hat mich der Roman zu meinem Bedauern nicht so recht überzeugen können, kann er bei weitem nicht mit den beiden anderen, von mir so hoch gelobten Romanen mithalten. Lesenswert und sprachlich gelungen ist er jedoch in jedem Fall.
Ewald Arenz: Das Diamantenmädchen.
DuMont Buchverlag, Oktober 2022.
320 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.