Manchmal ist es doch einfach schön, wenn man weiß, wo die Dinge herkommen, die man besitzt oder von denen man träumt, weil man sie nicht besitzen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass viele von Ihnen zum Beispiel auch ganz gerne eine Handtasche oder einen Koffer von Louis Vuitton besitzen würden, wenn diese edlen Teile nicht so wahnsinnig teuer wären.
Allein eine Hülle für den Reisepass (braucht man das?) kostet schon knapp 300 Euro, ein Kulturbeutel gut 700.-, für einen Koffer gibt’s nach oben eigentlich keine Grenzen. Ein besonderes Stück, „der Koffer des 20. Jahrhunderts“ kostet sage und schreibe mal eben gute 39.000 Euro!!! Stattlich! Aber man darf ja träumen! Und genau das ist es auch, was den jungen Louis Vuitton angetrieben hat. Das und der Zuspruch seiner viel zu früh verstorbenen Mutter, die ihm gesagt hatte, „du kannst alles erreichen, was du nur willst! Glaub an deine Träume. Sie werden wahr.“
Louis‘ Traum ist es, nach Paris zu kommen, der Stadt, von der alle so schwärmen. Aber vor allem will er der Stiefmutter entkommen und sich und seinen Geschwistern, die er nachholen möchte, sobald er dazu in der Lage sein wird, eine bessere Zukunft als in ihrem Dorf im französischen Jura zu sichern. Sein Traum wird wahr, aber bis dahin ist es ein harter Weg, den Louis gehen muss. In Paris hat er das Glück, eine gute Lehrstelle als Kistenhersteller und Kofferpacker zu finden und beim Meister und seiner Frau aufgenommen zu werden wie ein Sohn.
Louis hat seinen Traumberuf gefunden und stellt sich so geschickt an, dass der Meister ihn bald eigenständig arbeiten lässt und stolz auf ihn ist, als Kaiserin Eugenie speziell nach Louis verlangt, um ihre wertvolle und umfangreiche Garderobe verpacken zu lassen. Der Auftrag der Kaiserin, Kofferpacker am kaiserlichen Hof, ist ein Meilenstein in Louis‘ Karriere. Unermüdlich sucht er nach Verbesserungen bei den Kisten und Koffern, die er als unpraktisch und unhandlich, vor allem: nicht stapelbar erachtet. Da die Reisen des Hofes und auch der bessergestellten Bürger inzwischen zunehmend auch mit der Eisenbahn erfolgen, sollten die Koffer einfach praktischer werden. Louis‘ Erfindergeist ist schier unermüdlich. Seinen Namen kennt man bald in ganz Paris. Bald kann Louis sein eigenes Geschäft gründen, mit dem Segen seines alten Meisters, dem er immer freundschaftlich verbunden bleibt und mit der Unterstützung seiner jungen Ehefrau. Auch seine Geschwister konnte er inzwischen nach Paris holen. Aus Anlass seiner Hochzeit ist auch der Vater angereist und beschließt zu bleiben, um seine Kinder – die das Geschäft gemeinsam betreiben wollen, in unterschiedlichen Funktionen – zu unterstützen.
Alles scheint wunderbar, doch auch die Familie Vuitton bleibt von Schicksalsschlägen und Rückschlägen nicht verschont.
Die Geschichte des Hauses Vuitton nimmt uns mit in eine spannende Zeit. Die Zeit Napoleons und seiner Kaiserin Eugenie, den Niedergang, den Krieg 1870/71, die Kapitulation von Paris, doch vorher den Aufstieg der glanzvollen Metropole. Die riesigen Bauvorhaben des Georges Eugenie Haussmann, der die Stadt u.a. mit seinen breiten Boulevards völlig neu gestaltete. Eine Zeit, die als „Haussmannisierung“ in die Geschichte eingegangen ist. In den Salons, bei denen auch Louis und seine Frau Emilie gern gesehene Gäste waren, aber auch durch ihren eleganten und exquisiten Laden, durch die Verbundenheit mit dem Kaiserhof, lernten die Vuittons, die selbst auch an Kunst und Literatur interessiert waren, bedeutende Persönlichkeiten kennen, wie George Sand, zu der man Louis Vuitton eine lange und freundschaftliche Beziehung bescheinigt, Gustave Flaubert, Sarah Bernhardt und andere, deren Namen auch heute noch von Bedeutung sind.
Ein historisch gut recherchierter Roman, eine gut erzählte Biografie eines interessanten Mannes, der mit Ehrgeiz und Ausdauer seinen Traum verwirklichen konnte und bis heute einen Namen hat, der weit über Paris hinaus einen guten Klang hat. Interessant und fesselnd erzählt, flüssig geschrieben, spannend zu lesen.
Eva-Maria Bast: Der Traum des Louis Vuitton
Piper; August 2024
416 Seiten; Paperback; 15,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.