Dietmar Bittrich: Grab tiefer!

Makaber. Respektlos. Äußerst amüsant. Und mit mehr Körnchen Wahrheit versehen, als manchem lieb ist. Dietmar und seine Freunde betreiben ein äußerst klimafreundliches, wenngleich illegales Bestattungsinstitut. Zu diesem Job kamen die seit Corona arbeitslosen Kulturschaffenden eher durch Zufall. Irgendwie muss man sich ja über Wasser halten. Ein Halbmediziner als Leichenbeschauer, ein Halbjurist fürs „Rechtliche“ und ein Halb-Theologe als Trauerredner – alle mit abgebrochenen Studiengängen – was soll das schon schiefgehen? Dank der kuriosen Kundschaft haben die Drei sogar genügend Inspirationen gesammelt, um ein neues Comedyprogramm auf die Beine zu stellen!

1,80 Meter, so tief liegen Tote normalerweise in deutschen Friedhöfen. Da ist genügend Raum dazwischen, um auch inoffizielle Tote unauffällig entsorgen zu können. In der frisch umgegrabenen Erde, ganz pur und Natur, ökologisch, zersetzungsfreudig ohne Sarg und Schnickschnack. Die Nachfrage ist groß. Autoerotische Unfälle, Kollisionen zwischen Lastenrädern und Rentnern, aus dem Ruder gelaufene Naturschutzprojekte samt Wolf – wo auch immer Leichen ebenso unauffällig wie pietätvoll entsorgt werden müssen, ist das Trio zur Stelle.Gefährlich wird es, als immer mehr Menschen davon Wind bekommen. Erstaunlicherweise bilden sich immer weitere Start-up-Unternehmen rund um den Bereich alternative Bestattung. Selbstgetöpferte Urnen sind noch die harmloseste Variante.

Gewitzt und abgeklärt, nimmt sich der Autor eines Themas an, dass normalerweise nicht mit Humor assoziiert wird. Die typisch nordische Art schlägt genau den richtigen Tonfall an. Dabei spart der Autor nicht an Spitzen, die er gegen gesellschaftspolitische Themen austeilt. Absolut köstlich sind Dietmars Trauerreden, die er für das Bestattungsinstitut „Ewig und drei Tage“ hält. Egal ob für hochdekorierte Ornithologen, für geschmierte Profi-Fußballer (Zitat Matthäus Evangelium: Alles ist von Gott vorbestimmt, also auch der Ausgang eines Fußballspiels!) oder für eine tragische Klimaaktivisten.„Vielmehr vermochte ich zu zeigen, dass es diesen posthumen Rufschädigern vor allem um die Beschwichtigung der eigenen Schuldgefühlte gegangen war, um das Verdecken der eigenen Untätigkeit. (…) Sie waren der Heldin Helen unwürdig.“ (S. 156)

Herrlich verschrobene Charaktere bis zur kleinsten Nebenfigur und gewagte Philosophien zu Themen wie „Vorbestimmung“ und „Kreislauf des Lebens“ machen dieses Buch äußerst unterhaltsam.  Beispiel: „Die Verwahrlosung städtischer Friedhöfe war zu absichtsvollen Rückführung ins Ursprüngliche umdefiniert worden. Uns war das recht. Bernhard wollte das sargfreie Verfahren eh als Reerdigung zum Patent anmelden und ein Biosiegel ergattern.“ (S.72).  Da steigen beim Lesen unweigerlich Tränen in die Augen – vor Lachen!

Dieser irrwitzige Roman ist genau das Richtige für unverbesserliche Optimisten und alle, die es werden wollen! Du kannst einen Sachverhalt nicht ändern – der Tod ist endgültig – dann ändere doch einfach deine Perspektive. Nach dieser Lektüre sieht die Welt schon wieder besser aus. Sogar wenn man sie von unten durch die Radieschen betrachtet.

Dietmar Bittrich: Grab tiefer!
dtv, Mai 2023.
224 Seiten, Taschenbuch, 11,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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