Die deutsche Autorin Daniela Krien (Jahrgang 1975) lebt und arbeitet in Leipzig. Ihr Roman „Die Liebe im Ernstfall“ aus dem Jahre 2019 wurde ein Erfolg und vielfach verkauft. Nun ist am 28. Juli 2021 ihr neues Buch „Der Brand“ im Diogenes Verlag erschienen.
Das Ehepaar Rahel und Peter Wunderlich aus Dresden ist fast drei Jahrzehnte verheiratet, ihre Kinder Selma und Simon sind erwachsen. Rahel ist Psychologin und arbeitet als Gesprächstherapeutin, er ist Literaturprofessor, sie leben in Dresden. Für den Corona-Sommer 2020 haben sie eine Hütte in den Ammergauer Bergen gemietet. Diese Hütte brennt drei Tage vor ihrer Ankunft ab. Zufällig ruft kurz nach der Absage des Vermieters Ruth an. Die siebzigjährige Ruth ist die Freundin von Rahels verstorbener Mutter Edith. Ruths Mann Viktor hat einen Schlaganfall erlitten, und Ruth bittet Rahel sich um den Hof in Dorotheenfelde in der Uckermark zu kümmern. Rahel sagt zu. Ihre Ehe ist in eine Sackgasse geraten. Peter schläft nicht mehr mit ihr. Für drei Wochen werden Rahel und Peter nun den Hof und die Tiere versorgen, Gespräche führen und Streits austragen, Rotwein trinken, ihre Kinder zu Besuch empfangen und am Ende zu einem Gundermann-Song zurück nach Dresden fahren.
So schnell der Inhalt des schmalen Buches wiedergegeben ist, so rasch sind die 272 Seiten auch gelesen. In Daniela Kriens Roman „Der Brand“ treffe ich als Lesende auf ein gesättigtes, wohl situiertes Ehepaar in den mittleren Jahren, dessen Liebe eingeschlafen und das an der heutigen Zeit ermattet ist. So sagt Peter an einer Stelle des Buches: „Das ist nicht mehr meine Welt, Rahel.“ Ein Vorfall an der Universität, bei dem Peter einen nicht-binären Menschen mit Frau P., wie es auf der Teilnehmenden-Liste vermerkt war, angesprochen hatte, bringt ihn völlig aus dem Gleichgewicht. Olivia P. löst in den sozialen Medien einen Shitstorm aus, was ihm eine Ermahnung der Dekanin einbringt. Von Rahel fühlt er sich unverstanden und im Stich gelassen. Und dann sind da noch Rahels unbekannter Vater, der von ihr vergötterte Sohn Simon und die viel kritisierte Tochter Selma. Die Tänzerin Ruth und der Künstler Viktor komplettieren das Romanpersonal. Daniela Krien überlässt Rahel die Hauptrolle. Aus ihrer Sicht erfahre ich als Lesende die Gemütslage, die Konflikte und die äußeren Umstände. Aber in eigener Sache versagt die Therapeutin Rahel und das in mehrfacher Hinsicht. In ihrer Beziehung zu Peter, die sie über die Häufigkeit und Qualität ihres Sex definiert. In ihrer Beziehung zu ihrer Tochter, deren Flatterhaftigkeit sie enttäuscht. Und nicht zuletzt in ihrer Beziehung zu der inzwischen verstorbenen Mutter, die ihr den leiblichen Vater verheimlichte. Dazu mischt Krien ein bisschen Ost-West- und Stadt-Land-Diskrepanz, Gender-Debatte, Corona-Pandemie und Klimawandel. Das alles liest sich gut herunter, nur stellt sich bei mir kein echtes Interesse für die Protagonistin und ihre doch eher egoistischen Beweggründe ein. Der nette Peter, der ehrgeizige Simon, die labile Selma, die toughe Ruth und der berühmte Viktor haben etwas Schablonenhaftes. Auch die zufällige, vage Idee Rahels, dass der Künstler Viktor möglicherweise ihr Vater sein könnte, da Ruth, Edith und er damals sehr eng miteinander befreundet waren, generiert bei mir kaum Spannung. So dass dessen dramatischer Abgang aus dem Roman einen wenig überraschenden Höhepunkt bildet.
Daniela Kriens „Der Brand“ ist kein schlechter Roman, aber ein vorhersagbarer.
Daniela Krien: Der Brand.
Diogenes, Juli 2021.
272 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.