Claudia Rikl: Der stumme Bruder

Kriminalkommissar Michael Herzberg befindet sich auf einem Abstellgleis, nachdem er einen kriminellen Kollegen angezeigt hat. Aus der Abteilung Mordermittlung herausgerissen steht er nun vor einem Fall mit Sachbeschädigung. Das Gemeindehaus wurde von Vandalen unbewohnbar gemacht, damit keine Flüchtlinge in das beschauliche Lichtenfels ziehen. An dem Tag, an dem Herzberg sich mit dem Zeugen Schröter treffen will, liegt dieser bereits in einem Sarg. Gerade noch rechtzeitig kann der Kommissar als einer der letzten Trauergäste einen Blick auf den Verstorbenen werfen und erkennt am Hals des Toten verdächtige Würgemale. Sofort stoppt er die Trauerfeier und sieht sich wütenden Protesten gegenüber. Sein Kollege stimmt mit ein, als wäre Herzberg völlig von Sinnen.

Zum Glück kann der Rechtsmediziner Herzbergs Verdacht bestätigen. Doch danach bleibt alles beim Alten: Die Kollegen behandeln ihn wie einen Verräter, und die Dorfbewohner, die er anlässlich der Verwüstung des Gemeindehauses befragen soll, mauern. Für Herzberg sieht alles nach einer Falle aus, in die ihn seine Kollegen haben laufen lassen. Seine Ermittlungen sind mit Schröters Tod gescheitert. Nur seine Kollegin Desiree arbeitet noch mit ihm zusammen. Denn ohne Herzbergs Hilfe dürfte ihre Suche nach Schröters Mörder ziemlich schwierig werden. Zu groß ist das Geflecht aus Schweigen und Lügen.

Claudia Rikl hat ihren zweiten Kriminalroman mit dem ermittelnden Michael Herzberg vorgelegt. Wie bei ihrem ersten Buch liegt der Schwerpunkt bei den Opfern der ehemaligen DDR. Politische Willkür, Desinformation, eine scheinbar totale Überwachung haben ein Klima für Schweigen, Duldung und rechtsradikale Gesinnung geschaffen.

Auch nach der Wende kämpft Herzberg für Gerechtigkeit und hat sein Gespür für das Nichtgesagte bei seinen Befragungen verfeinert. Spannend und zugleich informativ erzählt die Autorin von Schicksalsschlägen und systematischem Unrecht, die nur vor dem geschichtlichen Hintergrund der ehemaligen DDR gedeihen können. Dieses Alleinstellungsmerkmal macht aus der kurzweiligen Lektüre eine lohnenswerte.

Weil bekanntlich nichts grundlos geschieht, entwickelt sich aus der Suche nach dem Mörder auch eine Recherche in lebendig gestalteter Zeitgeschichte. Der bunt gewebte Teppich aus vielen zusammenhängenden Geschichten wirkt wie ein dynamischer Prozess. Denn das eigene Unglück gebiert ein Neues in Gestalt von Korruption, Körperverletzung, Machtmissbrauch bis hin zu Mord.

Der Kriminalroman besteht aus zwei großen Teilen. Im ersten versucht Herzberg, das systematische Lügen und Schweigen der Zeugen und die Missachtung der Kollegen zu durchbrechen, während er im zweiten Teil seiner Berufung folgt.

Claudia Rikl gelingen amüsante Dialoge, die teilweise ins Absurde, Komische driften. Darüber hinaus spannt sie einen weiten Spannungsbogen, der dem Leser einen rasanten Ausflug in die deutsche Geschichte erlaubt.

Claudia Rikl: Der stumme Bruder.
Kindler, März 2019.
380 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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Ein Kommentar zu “Claudia Rikl: Der stumme Bruder

  1. Hallo,

    das klingt sehr interessant! Da ich Reihen allerdings ungern mit einem zweiten Band anfange, steht erstmal nur der erste Band „Das Ende des Schweigens“ auf meiner Merkliste. 😉

    LG,
    Mikka

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