Chloe Dalton: Hase und ich

Chloe Dalton ist Autorin, politische Beraterin und Expertin für Außenpolitik. Sie lebt in London und auf dem Land. Mit „Hase und ich“, einem Sachbuch aus dem Bereich Natur, hat sie ihr Debüt geschrieben. Auf Deutsch ist das Buch am 15. März 2025 bei Klett-Cotta erschienen. Übersetzt hat es Claudia Amor.

Nature writing at its best oder Wie ziehe ich einen Feldhasen auf?

Chloe Dalton schreibt in „Hase und ich“ über ihre reale Begegnung mit einem Junghasen während der Corona-Pandemie. Sie findet das Hasenjunge, verlassen von seiner Mutter, auf einem ihrer Spaziergänge durch die Felder irgendwo im ländlichen England. Dalton hat sich in ihr Cottage auf dem Land zurückgezogen, um die Pandemie dort gesund zu überstehen. Nach einigem Zögern nimmt sie den kleinen Hasen mit ins Haus. Sie zieht ihn zunächst mit laktosefreiem Milchersatz, der für Katzenbabys gedacht ist, auf. Aber sie gibt ihm keinen Namen und berührt ihn nur, wenn es absolut nötig ist. Von Anfang an will Dalton ihn wieder in die Freiheit entlassen. Aber zunächst muss der kleine Hase überleben. Chloe Dalton recherchiert alles, was sie zu Feldhasen finden kann und stellt fest, dass es wenig Material über sie gibt. Nur über die Hasenjagd findet sie etwas mehr Informationen. So entwickelt sie nach und nach ihren eigenen Weg im Umgang mit dem wilden Tier. Und der Hase, der sich als Häsin herausstellt, überlebt tatsächlich unter ihrer Pflege. Lebt im Haus und Garten, ganz freiwillig. Bis die Häsin eines Tages über die Mauer in die Freiheit springt. Aber auch danach kehrt sie immer wieder zu Chloe Dalton zurück. Und bringt sogar ihre eigenen Jungen mit.

„Hase und ich“ von Chloe Dalton ist eine außergewöhnliche Geschichte über eine „außergewöhnliche Begegnung“

Dalton entwickelt während dieser Zeit mit dem Hasen viel Expertinnenwissen über wildlebende Feldhasen und gewinnt auch für sich selbst Einsichten in ihr vormals hektisches Leben in der Großstadt und als weltreisende Politikberaterin. Die Pandemiejahre versetzen sie in die Lage, sich intensiv und ausschließlich mit der Entwicklung und dem Leben des Hasen zu beschäftigen. Sie lernt die Natur und die darin wild lebenden Tiere näher kennen und sie macht genaue Beobachtungen, die ihr in ihrem von Arbeit geprägten Leben nicht möglich waren. Dabei verändert sich auch ihre Sicht auf die Umwelt. Ihr wird klar, wie sehr der Mensch in den Lebensraum der Tiere eindringt, ihn zerstört und damit den Tieren die Lebensgrundlage nimmt. Der Hase wird für sie zu einem hautnahen Naturerlebnis, sie sorgt sich um ihn und sie beschützt ihn. Aber sie lässt ihn Hase sein.

Chloe Dalton hat mit „Hase und ich“ ein erstaunliches Buch geschrieben, das mich als Leserin fasziniert und berührt hat. In ihrer klaren Sprache gelingt ihr tiefe Emotion und sachliche Information:

Der kleine Hase beschnüffelte den Stein unter seinen Füßen, maß die Entfernung bis zum Boden unter ihm und ließ den Blick über die schwindelerregende Weite der Felder und Wälder schweifen, die vor ihm lag. Ich rührte mich nicht, rief ihn nicht. Ich wagte kaum zu atmen. In einer Sekunde stand er noch da und schaute mir fest in die Augen, in der nächsten war der Platz auf der Mauer leer.“ (S. 127)

Das ist nature writing at its best. Die Illustrationen von Denise Nestor ergänzen das Buch perfekt und sind wunderschön. Einzig am Ende gerät mir zu viel Pathos in die Erzählung, aber „Hase und ich“ bleibt eine außergewöhnliche Geschichte über eine „außergewöhnliche Begegnung“. Bitte lesen!

Chloe Dalton:  Hase und ich. Die Geschichte einer außergewöhnlichen Begegnung.
Übersetzt aus dem Englischen von Claudia Amor.
Klett-Cotta, 15. März 2025.
304 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,- Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..