Edgar Rai: Im Licht der Zeit

Berlin, 1929: Die „Goldenen Zwanziger“ neigen sich ihrem Ende zu. In einer liberalen Atmosphäre konnten sich Kunst, Theater, Film und Musik in einer Form entwickeln, die ihresgleichen sucht – originell und innovativ. Doch nun ist Hollywood einen Schritt voraus: Der Stummfilm gilt als überholt, der Tonfilm ist angesagt. Diesem Trend können sich die deutschen Studios, allen voran die UFA, nicht verschließen, auch wenn unter vielen Schauspielern und Regisseuren der Stummfilm als eigene Kunstform gilt, die nicht einfach ersetzt werden kann.

UFA-Chef Hugenberg nimmt die Herausforderung an, einen Film zu produzieren, der international einschlägt und zeigt, dass Deutschland den USA hier mehr als nur das Wasser reichen kann. Ein Wunschkandidat für die männliche Hauptrolle steht schnell fest: Emil Jannings, der erste Oscar-Preisträger, der sein Glück derzeit in Amerika versucht.

Hugenberg macht Karl Vollmöller zum „Mädchen für alles“, was die Organisation betrifft: „‘Mein lieber Herr Vollmöller‘, hob er an, ‚Sie besorgen mir Jannings und garantieren mir einen Stoff, der sich gewaschen hat, und ich (…) stelle Ihnen in Babelsberg eine Halle hin, in die Sie diese hier hineinschieben können!‘“ (Kapitel 7)

Hugenberg hält sein Versprechen: Er macht genügend Mittel locker, um in Babelsberg in Rekordzeit die modernsten Filmstudios hochzuziehen, die man sich vorstellen kann. Für Vollmöllers Aufgaben braucht es nicht nur Geld, sondern auch eine Menge Feingefühl, Taktik und Flunkereien. Weiterlesen

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Maxim Wahl: Das Savoy: Aufbruch einer Familie

England, 1932: Das Savoy ist bereits jetzt ein angesehenes Hotel, das von vielen bekannten und reichen Persönlichkeiten geschätzt wird. Geführt wird es von Violets Großvater Larry. Doch als dieser einen Schlaganfall erleidet, setzt er ausgerechnet die junge Violet an seine Stelle und verärgert somit seine eigenen Kinder, die sich Chancen ausgerechnet hatten. Doch in dem Hotel ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Larry vermutet, dass er selbst vergiftet werden sollte, eine Leiche liegt im Hinterhof und auch sonst haben die Belegschaft und die Gäste so allerhand Geheimnisse.

Hinter dem Pseudonym Maxim Wahl steht ein bekannter deutscher Schriftsteller, der bereits viele Veröffentlichungen vorzuweisen hat. Das merkt man dem Roman auch an. Wahl blickt immer zur richten Zeit an den richtigen Ort und erzählt die Geschehnisse mit der nötigen Spannung. Dabei verliert er seine vorrangige Protagonistin Violet nicht aus den Augen. Sie will beim BBC ganz groß rauskommen, hat sich in den Hotelmechaniker verliebt, bekommt aber auch von ihrem Chef eindeutige Angebote gemacht. Weiterlesen

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Norbert Scheuer: Winterbienen

Momentan herrscht hierzulande ja ein regelrechter Hype um Bienen. In allen Medien wird darüber berichtet und auch in den Buchhandlungen stehen viele Bücher, insbesondere belletristische, die sich mit Bienen beschäftigen.

Das ist erstmal nichts Schlimmes. Ob es aber immer noch ein Buch mehr braucht, wäre zu diskutieren.

Dem Autor dieses Buches zu unterstellen, dass er auf dieser Welle mitreiten wollte, liegt mir fern. Immerhin widmet er sich über 320 Seiten diesem Thema. 320 Seiten, auf denen sehr, sehr wenig passiert. Der einigermaßen spannende Teil der Handlung hätte auf vielleicht 10 Seiten gepasst, also in etwa die Länge einer anständigen Kurzgeschichte.

Erzählt werden in Tagebuchform die Geschehnisse im Leben des Egidius Arimond im Jahr 1944 in einem kleinen Ort in der Eifel. Während des gesamten Buches erfährt man nicht das Alter des Protagonisten, aber er muss im wehrfähigen Alter sein. Wegen seiner epileptischen Anfälle ist er nicht wehrtauglich und daher im Ort immer wieder Anfeindungen als Drückeberger ausgesetzt.

Außerdem schläft sich Egidius durch mehrere Betten im Dorf, Betten von Frauen, deren Männer an der Front sind. Die einzige andere Beschäftigung des ehemaligen Lehrers sind besagte Bienen. Und zwar Beschäftigung nicht nur aktiver Hinsicht, nein, auch in seinen Gedanken sind die Bienen so ziemlich das einzige, was ihn beschäftigt. Weiterlesen

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Niklas Natt och Dag: 1793

Stockholm, 1793: Die stark verstümmelten Überreste eines Menschen treiben in der Kloake der Stadt. Der Jurist Cecil Winge muss sich mit dem Fall auseinandersetzen und gerät immer wieder mit dem ermittelnden Jean Michael Cardell aneinander. Doch nur wenn die beiden zusammenarbeiten, wird es ihnen gelingen, diesen komplexen Fall zu lösen. Was ist dem Mann, dessen Überreste sie gefunden haben, wirklich passiert? Die Antwort führt die beiden auf einen gefährlichen Pfad.

„1793“ ist genial. Man kann es nicht anders sagen. Der Roman ist genial und nochmals genial. Ich habe seit langem nicht mehr ein solch guten historischen Kriminalroman wie diesen gelesen. Er ist sehr abwechslungsreich und zeigt dabei ein authentisch wirkendes Bild der Zeit. Im 18. Jahrhundert war nichts einfach und man musste täglich ums Überleben kämpfen, wenn man bestimmten Gesellschaftsschichten angehörte. Cecil hat eine schwere Lungenkrankheit und jeder Tag wird für ihn beschwerlicher. Weiterlesen

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Thomas Vaucher: Der General

Paris am 10. August 1792. Es ist der Tag des Tuileriensturms. Die Schweizergarde hat den Auftrag, den Tuilerienpalast, die königliche Residenz, zu bewachen. Doch die Französische Revolution ist in vollem Gange. König Ludwig XVI. ist mit seiner Familie in die Nationalversammlung geflohen. Die Schweizer stehen vor der Aufgabe, einen leeren Palast vor dem Ansturm der aufgebrachten Volksmassen schützen zu müssen.

Unter ihnen der Gardist Johann Gobet. Trotz allen Einsatzes muss er mit ansehen, wie die Schweizer immer weiter dezimiert werden. Es gibt viele Tote auf beiden Seiten, doch schließlich gewinnt das Volk die Oberhand. Ein anderer Gardist, Hauptmann von Erlach, übergibt Johann kurz vor seinem Tod ein Lumpenbündel mit einer darin eingewickelten Speerspitze. Johann erhält den Auftrag, sie keinesfalls in die Hände der Aufständischen fallen zu lassen. Nun bleibt ihm nur noch die Flucht durch die Straßen des von wütendem Volk brodelnden Paris…

Thomas Vaucher ist ein Schweizer Autor, der mit ‚Der General‘ einen weiteren historischen Roman vorlegt, der sich mit einem Stück der Schweizer Geschichte beschäftigt. In diesem Fall ist es die Rolle der Schweizergarde zur Zeit des Tuilerienstrums und die Zeit der helvetischen Republik. Weiterlesen

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Julia Kröhn: Das Modehaus: Töchter der Freiheit

Julia Kröhn erzählt die Geschichten der Frauen des „Modehaus König“ vom Beginn des letzten Jahrhunderts bis in die 70er Jahre hinein. Dabei bedient sie sich einer interessanten Erzähltechnik. Die Geschichte wird eingerahmt von einem Brief der Urenkelin, die etwa in unserer Zeit lebt, dann werden abwechselnd die Erzählstränge von Mutter, Tochter und Enkelin bedient. Dadurch weiß man schon sehr früh, dass das Modehaus die diversen Kriege letztlich doch überlebt hat, es nimmt dem Buch aber nicht die Spannung, weil Julia Kröhn sehr geschickt mit der Frage nach dem „wie“ und „wer“ arbeitet.

Der Titel allerdings es eher irreführend. Es geht gar nicht so sehr um das Modehaus und wirklich nur am Rande um die Schwierigkeiten und Lösungen, als kleines Modehaus erst mit den neuen Moden und dann mit dem Versandhandel und den großen Kaufhäusern konkurrieren zu müssen. Es geht um drei Frauen in verschiedenen Epochen, die jede ihre eigene Herausforderung zu meistern hat. Fanny zu Beginn des Jahrhunderts muss sich durchsetzen, weil sie moderne Mode für moderne Frauen entwerfen möchte. Weiterlesen

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Melanie Metzenthin: Mehr als die Erinnerung

Friederike von Aalen lebt und arbeitet auf Gut Mohlenberg, einer Einrichtung für Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung in der Nähe von Lüneburg. Sie unterstützt ihren Vater, der diese Anstalt gegründet hat, vor allem bei der Verwaltung, aber auch zu den Bewohnerinnen und Bewohnern hat sie ein gutes Verhältnis. Manche kennt sie schon, seit ihrer Kindheit. Sie sieht – genau wie ihr Vater – in ihnen die Menschen, nicht nur die Patienten und weiß, dass oft mehr in ihnen steckt, als auf den ersten Blick sichtbar ist.

Ihren großen Traum, Ärztin zu werden, hat sie kurz vor ihrem Abschluss aufgegeben, um ihren Mann Bernhard pflegen zu können, der im 1. Weltkrieg bei einer Explosion eine schwere Kopfverletzung erlitten hat. Mühsam musste er wieder lernen, sich zu bewegen. Nun – im Jahr 1920 – ist er körperlich fast wieder hergestellt, aber sein Erinnerungsvermögen weist große Lücken auf und geistig ist er auf den Stand eines 5jährigen zurückgefallen. Die Ärzte machen Friederike keine großen Hoffnungen, dass sich sein Zustand noch weiter verbessern wird, doch sie steht treu zu ihrem Mann und kann sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Weiterlesen

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Ronald H. Balson: Hannah und ihre Brüder

Als ihr Kumpel Liam die Anwältin Catherine bittet, sich einen Fall anzuhören, ist sie alles andere als begeistert. Catherine hat in ihrem Job auch so schon genug um die Ohren, da braucht sie keine zusätzliche Arbeit. Bei einer Operngala hat der 83-jährige Ben Solomon einen gleichaltrigen Mann angegriffen, der in Chicago sehr angesehen ist. Ben behauptet, dass Elliot Piontek zu Zeiten des Nazi-Regimes in der SS tätig gewesen und unter dem Namen Otto Piontek bekannt gewesen sei. Dummerweise tat er dies, während er dem ahnungslosen Mann eine Waffe an den Kopf hielt. Liam möchte wissen, was hinter der Geschichte steckt, Catherine eher nicht. Aber sie hört Bens Worte an und taucht in die Geschichte ein, die 1933 ihren Anfang in Polen nahm.

Ich wünschte, ich hätte auch wie Catherine in die Geschichte eintauchen können. Aber das war einfach nicht möglich. Die Haupthandlung ist im Jahr 2004 in Chicago angesiedelt und ist selbst dort wenig interessant. Die Figuren bleiben allesamt sehr blass und farblos, ich konnte mit keiner von ihnen so recht etwas anfangen. Dann gibt es den zweiten Handlungsstrang, der meist in Polen ab dem Jahr 1933 stattfindet. Weiterlesen

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Ella Zeiss: Tage des Sturms 02: Von Hoffnung getragen

Russland, 1942: Mit 16 Jahren wird Harri in das Zwangsarbeitslager in Tscheljabinsk deportiert. Hier muss er in Kälte und Eis unter Aufwendung seiner ganzen Kraft tagtäglich schuften. Die Situation bessert sich auch nicht, als sein ehemaliger Nachbar Erich im Lager eintritt. Er muss sich ständig Sorgen machen um den schlechten Gesundheitszustand des jungen Mannes. Auch seine Familie vermisst Harri schmerzlich. Ein Lichtblick scheint Jahre später das Kriegsende zu sein. Doch wird jetzt wirklich alles besser?

Mit „Von Hoffnung getragen“ legt Ella Zeiss den zweiten und abschließenden Band ihrer kurzen Serie um die Familien Pfeiffer und Scholz vor, die sich bereits in den ersten Kriegsjahren, niedergeschrieben in „Wie Gräser im Wind“, durchbeißen mussten. Einst waren sie Nachbarn, wurden aber vom Krieg in alle Winde zerstreut. Im zweiten Band stehen vor allem Harri Pfeiffer und Yvonne Scholz, die jüngere Schwester von Erich, im Mittelpunkt. Weiterlesen

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Christian Hardinghaus: Die Spionin der Charité

Seit seinem Roman um den Arzt, der Soldat wurde um seine Familie zu retten, bin ich ja ein großer Fan von Christian Hardinghaus Romanen. Der Roman beginnt in Bern 1974. Die 56jährige Lilly Kolbe regt sich furchtbar über die Feiern zum Gedenken der Widerstandskämpfer des 20. Juli auf. Waren doch die Attentäter um Staufenberg bei weitem nicht die Einzigen, die für den Widerstand Kopf und Kragen riskiert haben. Lilly arbeitete in den ersten 40 ger Jahren des 20. Jahrhunderts in der Berliner Charité unter dem berühmten Professor Ferdinand Sauerbruch. Dort gab es den Donnerstagsclub, dessen Mitglieder nach ihren Möglichkeiten versuchen, dem Naziregime Steine in den Weg zu werden. Ihre Aktionen waren wenig öffentlichkeitswirksam und alle Mitglieder schworen, den Donnerstagsclub nach dem Krieg für immer geheim zu halten. Aber vielleicht ist jetzt, nach 30 Jahren des Schweigens, der Moment des Redens gekommen? Weiterlesen

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