Sie sind noch jung, als der Große Krieg endete, wie man den Ersten Weltkrieg zu ihrer Zeit nannte, einer Zeit, in der man sich nicht vorstellen konnte, dass sich wo etwas noch einmal wiederholen könnte. Um vier Frauen geht es in diesem Roman. Henny und Käthe gehen zur Hebammenschule, Lina muss auf ihren Bruder aufpassen, weil die Eltern im letzten Kriegswinter verhungerten, um die Kinder überleben zu lassen und Ida ist zwar privilegiert aufgewachsen, aber auch in den Zwanzigern ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Geschichten der vier Frauen verweben sich miteinander im Laufe der Jahre, gemeinsam mit ihnen erlebt der Leser eine Reise durch die Zeit, die einen nicht mehr loslässt.
Die Charaktere sind durchweg bis in die Nebenfiguren hinein liebevoll ausgearbeitet. Da der Roman, der der Auftakt einer Jahrhunderttrilogie ist, einige Jahre abdeckt (1918 – 1947), arbeitet die Autorin mit Zeitsprüngen. Das macht sie sehr geschickt, indem sie sich an relativ bekannten Ereignissen der Geschichte entlanghangelt. Ich wollte das Buch gar nicht mehr weglegen und wäre auch ohne diesen Monstercliffhanger sehr gespannt, wie es den Vieren in den 50er und 60er Jahren ergeht. Die Geschichte spielt in Hamburg und ist mit viel Lokalkolorit geschmückt, was dem Buch sehr gut tut.
Ja, es ist eine weitere Jahrhunderttrilogie in einem Markt, dem es im Augenblick kaum an solchen Werken mangelt. Aber das hier ist wirklich gut. Als Pageturner geschrieben, mit Frauen als Protagonisten und wirklich gemeinen Wendungen des Schicksals. Man merkt, dass Carmen Korn eine Stadt beschreibt, in der sie selber lange gelebt hat. Das ganze Buch ist trotz der Länge lebendig und trotz der Dramen nie schmalzig.
Wer an langen Winterabenden noch Zeit für das letzte Jahrhundert übrig hat, sollte hier unbedingt zugreifen.
Carmen Korn: Töchter einer neuen Zeit.
Kindler, September 2016.
560 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.
Ja, warum sind Jahrhunderttrilogie derzeit so in Mode? Vielleicht, weil unsere eigene Zeit so kurzlebig ist? Alles Gute für 2017!
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