Nach den beiden Powder-Mage Trilogien, mit denen Brian McClellan sich auch bei uns eine begeisterte Fangemeinde zulegen konnte, präsentiert sein Hausverlag Cross Cult, den Beginn einer neuen Reihe.
The Glass Immortals greift dabei erfolgreiche und erprobte Themen und Motive seiner beiden o. e. Serien auf, nimmt diese aber nur als Blaupause für eine neue, andere Welt mit ihrer erneut ganz eigenen, nie zuvor gelesenen Magie.
Wieder stellt der Verfasser eine kleine Gruppe von handlungsrelevanten Figuren in das Zentrum seines Plots. Und wieder gibt es eigentlich keinen einzelnen Antagonisten, sondern es geht mehr darum, aus den Vorkommnissen schlau zu werden, zu begreifen, was eigentlich, am besten noch warum gerade dieses, momentan passiert.
Doch beginnen wir am Anfang.
Demir Grappo entstammt einer der reichen Händler-Sippen aus Ossa, einem, nein dem bedeutendsten Reich der bekannten Welt. Zu Beginn seiner Karriere war er als Glastänzer unter dem Namen „Prinz der Blitze“ einer der gefeierten Heerführer Ossas – unter seiner Führung wurde ein überwältigender Sieg gefeiert. Dann aber wurde entgegen seines ausdrücklichen Befehls die eroberte Stadt geplündert, die Bevölkerung vergewaltigt und hingeschlachtet.
Er flieht, innerlich gebrochen, vor der Verantwortung, schlägt sich die nächsten 10 Jahre aus Gauner und Betrüger in der Provinz durch.
Als ihn die Meldung erreicht, dass seine Mutter ermordet wurde, ist dies ein unerwarteter Schock. Er kehrt in die Hauptstadt zurück, sammelt alte Freunde um sich, um den Familienvorsitz zu übernehmen und nach den Mördern zu suchen. Schnell wird deutlich, dass einige der angesehensten Familien des Rats in den Mord verwickelt sind.
Mitten im Krieg mit dem Nachbarstaat stoßen sie auf die Tatsache, dass die Magiegrundlage, der das Reich seine Macht verdankt, versiegt – mit drastischen Folgen für die Zukunft der Menschen – und sie stoßen, neben dem überall anzutreffenden Verrat und Intrigen auf Hinweise, dass ein neuer übermächtiger Spieler um die absolute Macht seinen Hut in den Ring geworfen hat …
Wie oben schon angedeutet, kommen uns die Figuren ein klein wenig bekannt vor. Demir Grappo erinnert mit seiner Magie, seiner inneren Unsicherheit, seinem aufbrausenden Wesen und seiner Intelligenz an einen gewissen Pulvermagier, seine Helfer an die Kameraden von diesem. Damit hört die Verwandtschaft aber auch schon auf.
McClellan hat sich – erneut – eine ganz eigene Magie einfallen lassen. Was bei den Powder Mage Büchern eben die Schwarzpulver-Magie war, das ist vorliegend eine Magie, die auf besonderem, magischen Glas basiert.
Erneut stellt er uns eine Stadt, ein Reich vor, das an die Renaissance erinnert. Es gibt Kanonen und Pistolen, Degen und erste technische Innovationen, wie zum Beispiel einen Blitzableiter, der im Finale eine gewisse Rolle spielt. Und auch die scheinbar allmächtigen Gildefamilien erinnern an die entsprechenden realen Vorbilder – die Borgias lassen grüßen. Vor diesem faszinierend ungewohnten Hintergrund lässt er seinen Plot ablaufen.
Wie wir dies von dem Verfasser kennen und schätzen, präsentiert er uns Figuren, die real gezeichnet sind. Alle haben ihre Macken, sind von etwas, aus ihrer persönlichen Historie angeschlagen, ja traumatisiert und müssen sich zum Eingreifen oftmals zwingen. Hier hat der Autor uns Gestalten präsentiert, die schlicht interessant sind, deren Motivation uns ihr Verhalten erklärbar macht und die nicht so einfach triumphieren. Immer gibt es für alles einen Preis zu bezahlen, haben diese ihre eigenen Ziele, die sie antreiben. In eigenen Handlungssträngen werden uns diese Sidekicks zunächst vorgestellt, dann übernehmen sie es, die Hintergründe weiter aufzuklären und so ein faszinierend vielschichtiges Bild der Welt zu zeichnen. Trotz des Umfangs des Romans – natürlich um gut 200 Seiten zu dick – bleibt der Spannungsbogen straff, folgen wird gespannt und fasziniert den Offenbarungen, die sich unseren Erzählern erschließen. Ebenso unabdingbar, dass der Band mit einem fiesen Cliffhanger endet, um unser Interesse bis zum Erscheinen des „Wrath of Empire“ titulierten zweiten Bandes wach zu halten.
Spannende, kurzweilige Lektüre, die mit der triumphalen ersten Powder-Mage Trilogie durchaus mithalten kann.
Brian McClellan: Im Schatten des Blitzes – The Glass Immortals 1
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Nicole Lischewski
Cross Cult Verlag, Januar 2024
775 Seiten, Taschenbuch, 20,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.