Barbara Toner: Vier ehrbare Damen suchen Teilzeit-Ehemann

Prospect, Südaustralien, 1919: Männer sind Mangelware! Viele sind nicht mehr aus dem Krieg heimgekehrt, der Rest wurde von der spanischen Grippe dahingerafft. Den Alltag ohne Mann zu bestreiten, ist für Frauen nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Sie werden von Händlern übers Ohr gehauen, die Bank will ihnen keinen Kredit geben, sie werden Opfer von Erpressung und Gier, während Haus und Hühnerstall dringend einer Renovierung bedürfen. Kurz: Niemand schenkt ihnen Gehör – einfach, weil sie Frauen sind. Diese bittere Erfahrung müssen auch vier Damen aus der Stadt Prospect machen, deren Männer gefallen, verschollen oder als nervliches Wrack aus dem Krieg heimgekehrt sind. Allein auf sich gestellt, beschließen sie einen Mann zu engagieren, der all das tun soll, was ihnen ihre Geschlechterrolle versagt: Er soll Gläubiger einschüchtern, faire Konditionen aushandeln, Bilanzen überprüfen, sich um Pferde kümmern und Farmarbeit erledigen. Daher geben die Damen eine Kontaktannonce auf. Hört sich bereits auf dem Papier schräg an und wird in der Umsetzung noch besser. Ein herrlicher Spaß!

Die schöne Louisa Worthington sitzt auf einem Berg von Schulden, die ihr verstorbener Ehemann hinterlassen hat und wird von Pferdehändlern erpresst. Die 18-jährige Maggie O’Connell erzieht ihre beiden Brüder alleine, verdingt ihren Unterhalt als Putzfrau und muss sich nebenbei um die Farm kümmern. Noch dazu wurde sie um ihren Grundbesitz betrogen. Am Nervenkostüm der Kaufmannsgattin Adelaide Nightingale zerren nicht nur ein Schreibaby sowie ihr betrunkener, kriegstraumatisierter Ehemann, sondern auch ein betrügerischer Buchhalter, der ihren Laden nach und nach übernehmen will. Zum Glück kommt die schlaue Pearl McCleary nach Prospect, um hier der Spur ihres verschollenen Verlobten zu folgen. Während ihrer Nachforschungen gibt sich die ehemalige Lehrerin als Haushälterin aus und wird von Adelaide Nightingale eingestellt. Bald wird klar: Die Frauen bekommen ihre Probleme nicht mehr selbst in den Griff. Pearl bringt die Idee eines männlichen Vertreters ins Spiel, den die leicht promiskuitiv veranlagte Louisa in der Zeitungsannonce als „Teilzeit-Ehemann“ tituliert.

Folge: Bei Pearls Ziehmutter, welche geeignete Kandidaten in Sydney auswählen soll, gehen in erster Linie amouröse Angebote ein. Für die gläubige Katholikin ein Graus! Daher fällt ihre Wahl auf den smarten, attraktiven Martin Duffy, ein Hänfling mit tadellosen Manieren. Der allerdings keine der geforderten Eigenschaften mitbringt, da er weder furchteinflößend, noch handwerklich begabt ist oder mit Bilanzen und Pferden umgehen kann. Duffys praktischer Nutzen hält sich in Grenzen. Dafür punktet er mit Emotionen. Die vereinsamten Frauenherzen verfallen seinem Charme reihenweise und buhlen um seine Gunst. Teils mit unlauteren Methoden. So muss Pearl leider feststellen, dass ihre Probleme weiterhin ungelöst bleiben, während sich zudem ein Zickenkrieg anbahnt. Zeit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen…

Der australischen Autorin Barbara Toner ist ein amüsantes Stück Literatur über ein ernstes Thema gelungen. Denn Frausein war zur damaligen Zeit gewiss kein Zuckerschlecken. Anhand einfacher Alltagssituationen wird ersichtlich, wie begrenzt der Handlungsspielraum alleinstehender Frauen war. Herzstück der Plots sind die wunderbaren Charaktere, welche die Autorin mit zahlreichen Ecken und Kanten versehen hat. Ihr „Sex-and-the-City-Quartett“ anno 1919 ist gezwungen, eine immense Charakterentwicklung hinzulegen, dabei Stolz und Vorurteile hinter sich zu lassen.  Es gilt nicht nur Geschlechter-, sondern auch Standesgrenzen zu überwinden. Ladies aus gutem Hause agieren plötzlich Seite an Seite mit Farmerstöchtern und Haushälterinnen. Rückschläge machen die Damen umso sympathischer, wenn nach allen Regeln der Kunst intrigiert, gezickt und in Ohnmacht gefallen wird. Allein, es nützt ja nichts! Noch dazu, wo allerhand schräge Nebenfiguren in Prospect ihr Unwesen treiben. Klatschsüchtige Bewohnerinnen, eine Bürgermeistersgattin auf Emanzipationstrip, unlautere Gestalten und ein Haufen Männer, die sich darüber wundern, warum ihre Frauen plötzlich „eigenen Gedanken denken“. Eine Unverschämtheit! Gefährlicher als die Bolschewiken! Dem muss Einhalt geboten werden!

Am Ende steht die Erkenntnis: Nur gemeinsam sind wir stark. Dieses wunderbar witzige, historische „Sex-and-the-City“-Quartett muss man beziehungsweise frau einfach lieben!

Barbara Toner: Vier ehrbare Damen suchen Teilzeit-Ehemann.
DuMont Buchverlag, August 2018.
430 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.